Einwanderungsrechtsreform in Spanien Offenes und wohlhabendes Land - das ist das Ziel
Spanien ist ein Hauptziel der Migration - aus Afrika und dem spanischsprachigen Lateinamerika. Kommendes Jahr soll der Zugang zu Arbeitsmarkt und Aufenthaltstiteln erleichtert werden - nicht ganz uneigennützig.
Spaniens Ministerin für soziale Sicherheit und Einwanderungsfragen, Elma Saiz, redete nicht lange um den heißen Brei herum, als sie den Kabinettsbeschluss kürzlich vorstellte. Sie zitierte gleich ihren Chef, Ministerpräsident Pedro Sánchez: Der sage nämlich, Spanien müsse sich entscheiden, ob es ein offenes Land mit Wohlstand sein wolle - oder ein verschlossenes und armes.
Ab dem kommenden Mai sollen in Spanien etwa 300.000 Einwanderinnen und Einwanderer ohne Papiere eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten. Und das jedes Jahr - zunächst bis 2027. Das Hauptziel besteht also darin, Menschen aus Drittländern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Der Ökonom Raymond Torres vom Thinktank Funcas in Madrid findet das folgerichtig, denn die spanische Wirtschaft brauche Zuwanderung, um das Wirtschaftswachstum der vergangenen zwei Jahre aufrechtzuerhalten. Auch um die Finanzierung des Sozialversicherungssystems, insbesondere des Rentensystems, geht es ihm dabei. Spanien habe eine stark alternde Gesellschaft, bald gingen viele in Rente - daher brauche Spanien die Einwanderung.
Konzept der "Verwurzelung" als Alleinstellungsmerkmal
Ministerin Saiz erklärte, die Regierung erleichtere zum einen die Visavergabe für Menschen, die Arbeit suchen oder in Ausbildung sind. Die geplante Reform soll aber auch Menschen nützen, die schon länger ohne gültige Papiere in Spanien leben.
Das spanische Ausländerrecht sieht für sie schon lange das Konzept der "Verwurzelung" vor - als einziges Land in der Europäischen Union, so die Ministerin. Dies soll künftig deutlich vereinfacht werden: "Wir haben jetzt fünf Varianten der Verwurzelung aus sozialen oder familiären Gründen: Weil man in Ausbildung ist oder einer Arbeit nachgeht. Und eine weitere Kategorie: Eine zweite Chance für Menschen, die bereits Papiere hatten, sie aber nicht verlängern konnten."
Lob für Verbesserung der Arbeitnehmerrechte
Neu sei neben Erleichterungen beim Familiennachzug auch, dass jemand statt bisher drei nur noch zwei Jahre ununterbrochen im Land gelebt haben müsse, um von den Regelungen profitieren zu können. Und es müsse nicht zwingend ein Arbeitgeber nachgewiesen werden - auch eine selbständige Beschäftigung reiche aus.
Der Rechtsanwalt Blas Jesús Imbroda ist Spezialist für Ausländerrecht und Mitglied des Allgemeinen Rates der spanischen Rechtsanwälte. Er lobt: Die neue Verordnung enthalte umfassendere Regelungen für die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, etwa mit Blick auf die Unterbringung und die Arbeitsbedingungen - und das unabhängig davon, ob es sich um Saisonkräfte oder im Ausland rekrutierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer handele. So könnten Arbeitgeber ihnen künftig weniger Geld - etwa für die Unterbringung - abnehmen.
Die Reform regele zudem auch, wie Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber wechseln können, wenn dieser im Arbeitsvertrag vereinbarte Bedingungen nicht einhält oder die Rechte des Arbeitnehmers verletzt.
Kritik: Reform soll Asylanträge verringern
Die Reform verfolge noch ein anderes, weniger nobles Ziel, sagt Mauricio Valiente, Direktor der Nichtregierungsorganisation CEAR, die Geflüchtete unterstützt. Konkret gehe es darum, Menschen davon abzuhalten, Asyl zu beantragen: "Daher sieht sie vor, dass diejenigen Asylbewerber, die von dem Konzept der Verwurzelung profitieren wollen, darauf verzichten müssen, einen Asylantrag zu stellen." Außerdem müssten sie sechs Monate warten, bevor sie eine Genehmigung im Rahmen des normalen Einwanderungsverfahren beantragen können.
Das bedeute auch, dass besonders verwundbare Menschen außen vor blieben, sagt Valiente. Insbesondere Menschen mit speziellen gesundheitlichen Problemen oder fehlenden Verbindungen zur Gesellschaft würden "ausgegrenzt". Das sei also eine noch zu erledigende Aufgabe.
Andere drängende Fragen unbeantwortet
Gelingen könne das Vorhaben ohnehin nur, wenn die spanische Regierung ausreichend Mittel für die Umsetzung bereitstelle, also Geld und Personal. Auch Ökonom Torres betont bei allem Wohlwollen für die Reform, dass diese die Regierungen auf nationaler und regionaler Ebene nicht davon entbinde, sich um wichtige strukturelle Probleme zu kümmern - etwa die vielen Schwierigkeiten und Hindernisse für arbeitssuchende Spanierinnen und Spanier.
Hinzu käme das allgemeine Problem der niedrigen Geburtenrate. Die gehe auch darauf zurück, dass es kein ausreichendes Netz von Kindergärten gebe. Akut sei auch die Frage des Wohnraums: "Zugang zu Wohnraum wird ein großes Problem für die neuen Einwanderer sein und natürlich auch für junge Menschen, die eine Familie gründen wollen, es aber nicht tun, weil sie einfach keine geeignete Wohnlösung haben."
Dennoch sei die geplante Reform ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Torres. Denn praktisch die Hälfte des spanischen Wirtschaftswachstums sei auf die Eingliederung ausländischer Arbeitskräfte zurückzuführen. Neben eigennützigem wirtschaftlichen Kalkül gebe es aber auch eine klare humanitäre Dimension, etwa die geplanten Erleichterungen beim Familiennachzug.