Truss zu ihrem Sturz Truss sieht "mächtiges Establishment" am Werk
Liz Truss war gerade einmal sechs Wochen als britische Premierministerin im Amt. Nun hat sie ihre umstrittenen Steuerpläne in einem Zeitungsartikel verteidigt. Ihr sei vom "System" keine Chance gegeben worden.
Die frühere britische Premierministerin Liz Truss hat sich erstmals seit ihrem Sturz im Oktober 2022 zu Wort gemeldet. In einem Essay im "Sunday Telegraph" machte sie "ein sehr mächtiges wirtschaftliches Establishment" und mangelnde politische Unterstützung für ihr Scheitern verantwortlich. Ihre geplanten Steuersenkungen, die zu einem Chaos an den Finanzmärkten geführt hatten, halte sie nach wie vor für richtig.
Truss verteidigt ihre Politik
Sie habe den Widerstand unterschätzt, auf den ihre marktwirtschaftliche Politik im "System" stoßen würde, erklärte Truss. "Ich behaupte nicht, dass ich keine Schuld an den Geschehnissen trage, aber im Grunde genommen wurde mir von einem sehr mächtigen wirtschaftlichen Establishment in Verbindung mit einem Mangel an politischer Unterstützung keine realistische Chance gegeben, meine Politik umzusetzen", schrieb sie.
In dem Artikel erklärte Truss, sie glaube immer noch, dass ihre Agenda für niedrige Steuern und einen kleinen Staat das Richtige sei, aber die Kräfte dagegen seien zu groß. Sie behauptete, große Teile der Medien und der Öffentlichkeit seien linkslastig. Sie kritisierte zudem US-Präsident Joe Biden, der ihren Plan einen "Fehler" genannt hatte.
Truss trat ihr Amt im September 2022 an, nachdem sie sich in einem innerparteilichen Wahlkampf in der Konservativen Partei durchgesetzt hatte. Sie trat die Nachfolge von Boris Johnson an, der nach einer Serie von Skandalen zurückgetreten war. Ihr Versprechen, das Wirtschaftswachstum durch Steuersenkungen und Deregulierung anzukurbeln, begeisterte Tory-Mitglieder, die Finanzmärkte reagierten allerdings verschreckt. Insgesamt beliefen sich die Pläne für die geplanten Steuersenkungen auf 45 Milliarden Pfund (etwa 50,4 Milliarden Euro).
Notkäufe der Zentralbank
Truss argumentierte, dass so die Wirtschaft angekurbelt werde, was zu mehr Wachstum und damit auch höheren Steuereinnahmen führe - sich die Reform also gewissermaßen selbst finanziere. Experten und Finanzmärkte teilten diese Einschätzung allerdings überwiegend nicht. Nach der Ankündigung war der Pfund-Kurs in den Keller gerauscht. Die britische Notenbank sah sich gezwungen, einzuschreiten und Staatspapiere mit langer Laufzeit erwerben - ohne Obergrenze.Truss entließ daraufhin zunächst ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng und trat schließlich zurück. Ihre Pläne für radikale Steuersenkungen sind inzwischen so gut wie alle zurückgenommen worden.
Truss, die als Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte Großbritanniens eingegangen ist, äußerte sich in dem Artikel auch wohlwollend über ihren Amtsvorgänger Johnson. Diesem werden inzwischen Ambitionen auf eine Rückkehr an die Regierungsspitze nachgesagt. Ihren Nachfolger Rishi Sunak erwähnte sie nicht namentlich, ließ aber durchblicken, dass sie seine auf eine Konsolidierung des Haushalts ausgerichtete Steuerpolitik kritisch sieht.