Ekrem Imamoglu
Player: videoHunderttausende protestieren in Istanbul gegen Inhaftierung von Bürgermeister Imamoglu

Ekrem İmamoğlu Erdoğans größter und einziger Gegner

Stand: 23.03.2025 17:57 Uhr

Er will Präsident der Türkei werden - und seine CHP will das auch. Obwohl die nächste Wahl erst in drei Jahren stattfindet, ist er nun offiziell Kandidat seiner Partei - trotz seiner Festnahme. Wer ist Ekrem İmamoğlu?

"Alles wird gut", rufen Anhänger von Ekrem İmamoğlu nach seiner Festnahme auf Solidaritätskundgebungen für ihn. Es ist ein Ritual geworden - und eine Chiffre für sein politisches Programm. İmamoğlus Weg verlief steil. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium arbeitet er im inzwischen beschlagnahmten Familien-Bauunternehmen.

Er heiratet, das Paar bekommt drei Kinder. Mit Anfang 40 wird İmamoğlu Bezirksbürgermeister, fünf Jahre später Oberbürgermeister von Istanbul. Mit Mitte 50 will er nun ganz nach oben und Präsident der Türkei werden. Die Zukunft seines Landes stellte er sich schon nach seiner zweiten Wahl zum Istanbuler Oberbürgermeister so vor:

Ab morgen wird die Türkei eine andere sein. Sie haben uns die Möglichkeit gegeben, den ersten Schritt in Richtung einer Türkei zu tun, in der Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Rationalität, Wissenschaft, Liebe und Solidarität gedeihen.

Beliebter als Erdoğan

Vor allem für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit will er stehen. Unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dessen AKP nehme all das Schaden, meinen İmamoğlu und seine CHP.

İmamoğlu könnte es besser, meinen viele. Er ist beliebt: In Meinungsumfragen liegt er vor Erdoğan. Weil er Erdoğan daher politisch gefährlich werden könnte, wolle man ihn kaltstellen.

Ekrem Imamoglu bei einem Wahlkampfauftritt in Istanbul.

Ekrem İmamoğlu bei einem Wahlkampfauftritt zur Bürgermeisterwahl in 2019.

"Millionen, die Erdogan nicht wollen"

Die Entwicklung der vergangenen Tage bestätigt diese Befürchtung. Dabei ist das sinnlos, gab sich İmamoğlu zuletzt vor seinen Anhängern überzeugt. "Er versucht mich zu beseitigen. Selbst wenn einem Ekrem was passiert, es gibt Millionen von Ekrems in diesem Land. Millionen, zehn Millionen die dich nicht wollen", rief er Erdoğan zu.

Wie groß dessen Einfluss auf die Justiz in der Türkei tatsächlich ist, lässt sich nicht ermessen - gering schätzen sollte man ihn nicht. Klar ist: İmamoğlu wird mit Vorwürfen überzogen. Es geht um angebliche Korruption, früher schon um Beleidigung von Spitzenbeamten des sogenannten Hohen Wahlrates und nun auch noch Terrorismusunterstützung.

İmamoğlu Diplom entzogen

Vor seiner Festnahme wurde ihm sein Universitätsabschluss aberkannt. Wer in der Türkei Präsident werden möchte, braucht jedoch einen. İmamoğlu findet den Entzug seines Diploms lächerlich.

In einer seiner letzten Reden vor seiner Festnahme zählt er in Kastamonu im Norden des Landes die Vorwürfe gegen sich auf und endet mit den Worten: "Dann das mit der Drohung gegen den Staatsanwalt, der Fall des Sachverständigen und zuletzt der Fall zu meinem Diplom, was er selbst nicht hat."

"Er", damit meint İmamoğlu Erdoğan, dessen Universitätsabschluss auch immer wieder Gegenstand von Spekulationen ist.

Ein Mann zeigt den Stimmzettel des einzigen Kandidaten der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) Ekrem Imamoglu während der Präsidentschaftsvorwahlen in einem Wahllokal in Ankara.

Der Stimmzettel des einzigen Kandidaten der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP): Die Partei lässt İmamoğlu schon jetzt - drei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl - wählen.

CHP steht fest hinter İmamoğlu

İmamoğlus CHP hatte es geahnt, dass es für ihren Kandidaten eng werden könnte. Seine Nominierung schon drei Jahre vor der nächsten regulären Wahl sollte ihn schützen - so das Kalkül der Partei.

Seit Tagen ruft sie nun zu Demonstrationen für İmamoğlu auf. Schon wird spekuliert, ob die Bewegung sich zu einer neuen Protestwelle gegen die Regierung Erdoğans auswächst.

Glaube an den allmächtigen Gott

İmamoğlu selbst kann das alles nur aus dem Gefängnis beobachten. In den wenigen Nachrichten, die von ihm nach außen dringen, gibt er sich jedoch unerschrocken. Er appelliert etwa an die vielen "vernünftigen" Juristen, die gegen jene vorgehen sollten, die das Geschäft Erdogans betrieben.

Vielleicht hilft ihm auch sein Glaube. Er spricht darüber immer offen - so wie Anfang des Monats in Adana: "Auf diesem Weg, den ich gehe, vertraue ich zuerst auf den Schöpfer, den allmächtigen Gott, und dann auf meine Nation."

Für viele in der Türkei macht ihn seine Religiosität erst wählbar - wenn İmamoğlu nach seiner Kür zum Präsidentschaftskandidaten überhaupt noch jemals bei einer Wahl antreten kann.

Player: audioDer Tag nach dem Haftbefehl für Imamoglu
Uwe Lueb, ARD Istanbul, tagesschau, 23.03.2025 17:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 23. März 2025 um 18:04 Uhr.