
Festnahmen in der Türkei İmamoğlu spricht von "politischem Putsch"
Nach der Festnahme des türkischen Oppositionspolitikers İmamoğlu kommt die Türkei nicht zur Ruhe: Während Sicherheitskräfte immer entschlossener gegen Demonstranten vorgehen, spricht der Festgenommene in einem X-Post von einem Putsch.
Drei Tage nach seiner Festnahme ist der türkische Oppositionspolitiker Ekrem İmamoğlu Medienberichten zufolge wegen des Vorwurfs der "Unterstützung einer terroristischen Organisation" polizeilich verhört worden. Rund fünf Stunden lang habe er der Polizei Rede und Antwort gestanden und dabei abermals alle Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen, berichtete die türkische Zeitung "Cumhuriyet".
Über seine Anwälte verurteilte der Politiker auf der Plattform X die Ermittlungen als "politischen Putsch". "Ich rufe mein Volk auf: Mit eurer Unterstützung werden wir zuerst diesen Putsch vereiteln, und dann werden wir diejenigen fortschicken, die uns dies erleben ließen", fügte er hinzu.
Katharina Willinger, ARD Istanbul, zur aktuellen Lage in der Türkei nach Festnahme des Oppositionspolitikers Imamoglu
Anwalt sieht Recht auf gerechten Prozess verletzt
Am Abend wird İmamoğlu nach Angaben seiner CHP-Partei zunächst dem Istanbuler Generalstaatsanwalt und danach einem Gericht vorgeführt. Der Vorwurf der Terrorunterstützung bezieht sich auf seine mutmaßlichen Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Bereits am Freitagabend soll der Politiker laut seinem Anwalt Mehmet Pehlivan sechs Stunden lang zum Vorwurf der Korruption verhört worden sein. İmamoğlu habe "alle Vorwürfe bestritten", erklärte er. Pehlivan kritisierte zudem das Durchstechen "nicht unterzeichneter Zeugenberichte an die Presse" und erklärte, "das Recht auf einen gerechten Prozess" sei verletzt worden.
Hunderte Demonstranten festgenommen
Trotz Demonstrationsverboten waren am Freitag erneut zahlreiche Menschen gegen die Inhaftierung İmamoğlus auf die Straßen gegangen. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein, berichteten Medien. Und die Opposition rief zu weiteren Protesten auf.
Die Zahl der Festnahmen bei den landesweiten Massenprotesten stieg unterdessen auf mehr als 300. Nach Angaben des Innenministeriums wurden in Istanbul und acht weiteren türkischen Städten 343 Menschen festgenommen worden. "Wer Chaos und Provokation sucht, wird nicht toleriert werden", erklärte Innenminister Ali Yerlikaya bei X.
Zahlreiche Accounts auf X blockiert
Berichten zufolge sind zahlreiche Seiten von feministischen und studentischen Zusammenschlüssen auf der Plattform X blockiert worden. Laut der türkischen Initiative zur Überwachung von Internetzensur Engelliweb wurden seit der Festnahme İmamoğlus am Mittwoch mindestens 85 Accounts gesperrt. So war etwa auch die Seite der bedeutenden Frauenrechtsorganisation Mor Dayanisma heute nicht erreichbar.
Am Mittwochmorgen waren İmamoğlu und mehr als hundert weitere Menschen festgenommen worden, darunter Mitarbeiter, Abgeordnete und Mitglieder der CHP. Der 53-Jährige wird laut Staatsanwaltschaft unter anderem der Erpressung beschuldigt.
Ihm wird auch vorgeworfen, Anführer einer "kriminellen Organisation" zu sein. Am Sonntag soll İmamoğlu trotz seiner Festnahme offiziell zum Kandidaten seiner Partei für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2028 gekürt werden.