
Ankara, Istanbul, Izmir Wieder Großdemos gegen Inhaftierung İmamoğlus
Zehntausende Menschen haben nach der Inhaftierung des Oppositionspolitikers İmamoğlu in der Türkei demonstriert. Sie gingen in mehreren Städten auf die Straße - nun schon den dritten Abend. Die Polizei soll Pfefferspray und Gummigeschosse eingesetzt haben.
Nach der Festnahme des Oppositionspolitikers Ekrem İmamoğlu am Mittwoch sind in der Türkei erneut mehrere Großdemonstrationen organisiert worden. Bei einer Kundgebung vor dem Rathaus in Istanbul sprach der CHP-Vorsitzende Özgür Özel vor 300.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Diese Angabe ließ sich zunächst nicht überprüfen. Auch in Izmir und der Hauptstadt Ankara gab es Proteste.
In Istanbul - wo Imamoğlu Oberbürgermeister ist - setzte die Polizei laut übereinstimmenden Berichten Pfefferspray und Gummigeschosse ein. Menschen riefen Slogans wie "Regierung, Rücktritt!" Polizisten setzten Tränengas gegen Demonstrierende ein, die eine Polizeiblockade durchbrechen wollten und die Polizisten mit Fackeln, Steinen und anderen Gegenständen bewarfen, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Auch in Izmir benutzten die Beamten Tränengas sowie Wasserwerfer, um die Teilnehmer einer weiteren Kundgebung auseinanderzutreiben, meldete der Sender Halk TV.
Die Proteste in der Türkei dauern seit Mittwoch an. Dutzende Menschen wurden bei den Kundgebungen in mehreren Städten festgenommen. Innenminister Ali Yerlikaya schrieb auf der Plattform X von 97 Festnahmen bei Demonstrationen bis kurz vor Mitternacht (Ortszeit).
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Erdoğan spricht von "Straßenterror"
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnete die Demonstrationen als "Straßenterror". Die Türkei sei "kein Land, das auf der Straße gefunden wurde und es wird auch nicht dem Straßenterror überlassen." Die Opposition versuche, die Ermittlungen als Vorwand zu verwenden, um die Straßen ins Chaos zu stürzen. "Wir werden auf keinen Fall die Zerstörung der öffentlichen Ordnung akzeptieren."
İmamoğlu war wenige Tage vor seiner geplanten Nominierung als Präsidentschaftskandidat der größten Oppositionspartei CHP festgenommen worden. Imamoğlu werden Terror- und Korruptionsvorwürfe gemacht. Genaue Details sind nicht bekannt, weil die Ermittlungen unter Geheimhaltung stehen. Oppositionelle werfen der Regierung vor, mit ihrem Vorgehen gegen Imamoğlu einen politischen Konkurrenten ausschalten zu wollen.
Gerichtstermin am Samstag, Parteitag Anfang April
Die CHP verliere mit "problematischen Aussagen, die den Straßenterror anheizen, schnell ihren Status als eine Partei, die auf legitimer politischer Grundlage agiert", sagte Erdoğan und unterstellte der Partei "Diebstähle, Korruption, Unmoral und Mafia-Strukturen in den Gemeinden".
İmamoğlu soll am Samstag einem Gericht vorgeführt werden. Seine Partei CHP kündigte einen Parteitag für den 6. April an. Der Vorsitzende der CHP, Özel, sagte, es gebe Hinweise auf Pläne zur Einsetzung eines Zwangsverwalters für die Partei. Gegen die CHP wird im Zusammenhang mit einem Kongress im Jahr 2023 ermittelt, was möglicherweise zur Entlassung der derzeitigen Parteiführung führen könnte. Dem Vorwurf nach sollen damals Mitglieder bestochen worden sein, ihre Stimme Özel zu geben.
CHP-Politikerin und Anwältin sieht rechtsstaatliche Mängel
Die Rechtsanwältin Gül Çiftci, die auch stellvertretende Vorsitzende der CHP ist, sagte im Interview mit tagesschau24, İmamoğlu sei am Freitag in den Vernehmungsraum gebracht worden. Die Vorgehensweisen, Haltungen und Maßnahmen in dem Fall entsprächen "nicht dem Rechtssystem und den Menschenrechten".
Vieles sei ungerecht und rechtswidrig, so Çiftci. "Wir sprechen von einer Anweisung, die aus dem Mund einer einzigen Person kommt. In diesem Land gibt es leider ein Justizsystem, das, wenn der derzeitige Präsident, Herr Recep Tayyip Erdoğan, sagen würde 'haltet diese Person bis zum Lebensende im Gefängnis', dies umsetzen würde. Und ich sage das mit Scham."