Nach Dammbruch in der Ukraine Rettungseinsatz im Frontgebiet
Der Rettungseinsatz nach dem Dammbruch von Kachowka ist riskant, denn der Damm liegt an der Front zwischen den ukrainischen und russischen Truppen. Und die Zeit drängt - nicht nur für die von der Versorgung abgeschnittenen Menschen.
Dutzende Helfer, Soldaten und Polizisten haben sich in Cherson versammelt. Mit Schlauchbooten bringen sie immer wieder Menschen in nicht überflutete Gebiete der südukrainischen Stadt. In einem der Boote sitzt ein altes Ehepaar. Rentner Vitja müssen die Retter aus dem Boot tragen.
Der alte Mann kann sich wegen einer schweren Beinverletzung kaum selbst bewegen. Zusammen mit Ehefrau Nadja wohnt er auf einer der Inseln im Fluss Dnipro. Dort sei alles überschwemmt, berichtet Nadja, "alles fließt, alles ist ruiniert da drüben".
Unter Angst habe sich das Paar auf den Weg gemacht Richtung ukrainisch kontrolliertes Gebiet, erklärt Nadja. Ihre Datscha auf der Potemkin Insel und vieles, was sie sich "hart erarbeitet" habe, liege mitten im Fluss Dnipro, in der grauen Zone, wie sie hier sagen, zwischen den russischen und ukrainischen Truppen.
Auf russisch kontrolliertes Gebiet wollten Nadja und Vitja nicht fliehen - die russischen Soldaten würden ohne Vorwarnung schießen, erzählt Nadja. Jeden Tag hätten sie von einem nahegelegenen Bootssteg aus Cherson beschossen.
Flucht zu Freunden und Verwandten
Nadja und Vitja haben noch eine leerstehende Wohnung in Cherson, dort wollen sie jetzt hin. Und wie sie machen es viele. Zwar versuchen die Behörden in der Region Notunterkünfte bereit zu stellen, doch bisher nehmen die offenbar nur wenige Menschen in Anspruch.
Denn die meisten kommen zunächst bei Freunden oder Verwandten unter. Nach wie vor seien tausende Menschen auf Hilfe angewiesen, geben ukrainische Behörden an. Innenminister Ihor Klymenko, der sich in Cherson ein Bild von der Lage macht, berichtet, viele Menschen hätten zunächst gedacht, das Wasser würde nicht kommen. Aber schon eine halbe Stunde später sei es in der ganzen Gegend so stark angestiegen, dass sich die Menschen auf ihre Balkone oder Dächer retten mussten. Von dort würden sie jetzt in Sicherheit gebracht.
Auch die Tiere müssen gerettet werden
Die Hilfsbereitschaft in der Südukraine ist groß. Aus Odessa, Kiew, Mykolajiw und anderen Städten sind Freiwillige in die Region gereist, um mit anzupacken. Aber nicht nur Menschen müssen aus den Fluten gerettet werden, auch tausende Tiere versuchen die Helfer aus den überschwemmten Gebieten in Sicherheit zu bringen.
Serhij Schowner steht in der prallen Sonne vor einem kleinen Minibus und wischt sich den Schweiß von der Stirn. 17 Kätzchen, sechs Katzen und drei Hunde konnten er und seine Mitstreiter in den vergangenen Stunden retten. In Käfigen stapeln die Helfer die Tiere auf der Ladefläche des Minibusses, um sie nach Dnipro zu bringen.
Wenn in den Häusern das Wasser bis zum Dach stehe, sagt er, und die Menschen sich retten müssten, hätten sie häufig nicht die Möglichkeit, sich um ihre Tiere zu kümmern, deshalb würden sie die Tiere mitnehmen.
Die Rettungsaktionen sollen weitergehen, solange es die Sicherheitslage zulässt. Im Dunkel der Nacht fahre man nicht mehr raus, so Innenminister Klymenko. Zu groß sei die Gefahr - auch durch im Wasser schwimmende Minen. Und immer wieder sind auch tagsüber Explosionen der Artillerie zu hören.