Russlands Angriffskrieg Ukraine meldet Beschuss von Moschee in Mariupol
Im belagerten Mariupol soll die russische Armee nach ukrainischen Angaben eine Moschee beschossen haben, in der 80 Menschen Zuflucht suchten. In mehreren umkämpften Ortschaften starten heute neue Evakuierungsversuche.
Die Lage in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol bleibt weiter angespannt. Die russischen Truppen setzen ihren Beschuss nach ukrainischen Angaben fort. Am Vormittag meldete das ukrainische Außenministerium einen russischen Angriff auf eine Moschee in der Stadt, in der mehr als 80 Zivilisten Zuflucht gesucht hatten. Unter ihnen sollen auch Bürger aus der Türkei sein. Berichte über Opfer gibt es bislang nicht. Die Angaben sind nicht von unabhängiger Seite überprüfbar.
Mariupol ist seit mehr als zehn Tagen von der russischen Armee eingekesselt, die Lage in der Hafenstadt am Asowschen Meer ist dramatisch. Nach Angaben der Behörden wurden seit Beginn der Belagerung mindestens 1500 Menschen getötet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) berichtete von katastrophalen Bedingungen für die noch rund 300.000 in der Stadt eingeschlossenen Zivilisten.
Mehrere Fluchtkorridore geöffnet
Heute sollte ein neuer Versuch starten, Zivilisten über Fluchtkorridore aus Mariupol und anderen Ortschaften zu bringen, wie die ukrainische stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk in einer Videobotschaft ankündigte. Aus Saporischschja habe sich erneut ein Konvoi mit Hilfsgütern und Bussen auf den Weg nach Mariupol gemacht, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk. Es ist der fünfte Versuch, die Stadt am Asowschen Meer zu erreichen. Bisher kamen die vereinbarten Korridore nie zustande. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern.
Doch nach ukrainischen Angaben setzte die russische Armee auch dieses Mal den Beschuss fort. Der Gouverneur der Region Donezk erklärte, es sei schwierig, unter ständigem Beschuss humanitäre Hilfe in der Stadt zu leisten. Die ukrainische Armee habe sich aus der Stadt Wolnowacha zurückgezogen.
Russische Truppen nähern sich Kiew
Wereschtschuk sagte, es gebe auch Korridore für mehrere Orte nordwestlich von Kiew, unter anderem Hostomel, Makariw und Borodjanka. Dort hat sich die russische Armee seit Tagen festgesetzt und versucht weiter, die Hauptstadt auch von Westen her zu blockieren.
Aber auch in der Region Kiew erschweren gegnerische Angriffe Versuche, die Städte zu evakuieren. Die russischen Truppen setzten ihre Offensive um die ukrainische Hauptstadt in der Nacht und am Vormittag fort. Das meldete unter anderem das britische Verteidigungsminsterium. Ein Großteil der russischen Bodentruppen soll sich nun etwa 25 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt befinden.
In einem täglichen Geheimdienstbericht heißt es, Elemente der großen russischen Militärkolonne nördlich von Kiew hätten sich verteilt. Dies dürfte einen russischen Versuch unterstützen, die ukrainische Hauptstadt einzukesseln. Es könnte sich auch um einen Versuch Russlands handeln, seine Verwundbarkeit gegenüber ukrainischen Gegenangriffen zu verringern, die den russischen Streitkräften einen hohen Tribut abverlangt haben.
Belarus schickt Kampftruppen zur Sicherung der Grenze
Zudem wachsen in der Ukraine die Sorgen vor einem möglichen Eintritt belarusischer Truppen in Kampfhandlungen. Belarus entsandte zuletzt fünf Kampfgruppen an seine südliche Grenze - angeblich zur Sicherung gegen ukrainische Angriffe. Die Einheiten sollten gemeinsam mit Grenzschutztruppen verhindern, dass "nationalistische bewaffnete Formationen" aus der Ukraine nach Belarus einsickern, sagte Vizeverteidigungsminister Viktor Gulewitsch.
Gleichzeitig betonte Gulewitsch, sein Land plane keine Beteiligung an der russischen Invasion im Nachbarland. "Die Truppenbewegungen stehen in keiner Weise im Zusammenhang mit einer Vorbereitung und noch weniger mit einer Teilnahme belarusischer Soldaten an der Spezial-Operation auf dem Territorium der Ukraine." Der belarusische Machthaber Alexander Lukaschenko dementierte wiederholt die ukrainischen Vorwürfe, sein Land plane den Kriegseintritt an der Seite Russlands.
Krebsklinik in Mykolajiw beschossen?
Ukrainischen Angaben zufolge sind mittlerweile 70 Prozent des Gebietes Luhansk im Osten des Landes von russischen Truppen besetzt. Das teilte der Leiter der Regionalverwaltung des Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj, mit. Jene Orte, die noch unter der Kontrolle Kiews stünden, seien dauerndem Beschuss ausgesetzt. Es gebe Dutzende verletzte und getötete Zivilisten.
Russische Truppen sollen laut ukrainischer Behörden zudem eine Krebsklinik in der südukrainischen Stadt Mykolajiw beschossen haben. Hunderte Patienten hätten sich zum Zeitpunkt des Angriffs in dem Krankenhaus aufgehalten, sagte Chefarzt Maxim Besnosenko. Getötet worden sei niemand. Durch den Beschuss sei das Gebäude beschädigt worden. Fenster zerbarsten.
Unklarheiten über Verlustzahlen
Nach russischen Angaben wurden mittlerweile 3491 Einrichtungen der militärischen Infrastruktur der Ukraine zerstört. In der Nähe der Hauptstadt seien eine Luftwaffenbasis in Wassylkiw und das nachrichtendienstliche Aufklärungszentrum der ukrainischen Streitkräfte in Browary außer Gefecht gesetzt worden, teilte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in Moskau mit.
Wassylkiws Bürgermeisterin Natalia Balasinowitsch sagte, der Flughafen und die Landebahn seien zerstört: "Ein Munitionsdepot detonierte, Granaten sind explodiert. Auch ein Lagerhaus für Kraft- und Schmierstoffe wurde zerstört. Dadurch ist der Flughafen komplett lahmgelegt."
Seit Beginn des Krieges vor mehr als zwei Wochen wurden laut der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft mindestens 79 Kinder getötet und mehr als 100 verletzt. "Diese Zahlen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da keine Möglichkeit besteht, die Orte des Beschusses zu inspizieren, an denen russische Streitkräfte aktive Feindseligkeiten durchführen", teilte die Behörde mit.
Gleichzeitig spricht das ukrainische Verteidigungsministerium von großen Verlusten der russischen Seite. So sollen mindestens 12.000 Soldaten getötet und unter anderem 362 Panzer, 83 Helikopter und 58 Flugzeuge außer Gefecht gesetzt worden sein. Eine unabhängige Bestätigung dieser Zahlen gibt es nicht. Russland hält sich über die Zahl der Verluste bedeckt und hatte erst knapp eine Woche nach Kriegsbeginn etwa 500 tote Soldaten eingeräumt.