Ukrainische Landwirte Aufs Feld - oder zu den Waffen
Trotz des Krieges können manche ukrainische Landwirte ihre Felder noch bestellen. Doch was sie ernten, kann nur unter Schwierigkeiten exportiert werden.
Mykola öffnet die großen Eisentore seines Silos und zeigt auf die riesigen Berge: Millionen Sonnenblumenkerne und Maiskörner stapeln sich hier, irgendwo auf dem Land in der Nähe der Stadt Dnipro. Der genaue Ort soll geheim bleiben, sagt Mykola.
Er besitzt den großen Landwirtschaftsbetrieb schon seit Jahren. Jetzt aber hat er Angst, dass die Russen sein Silo mit Raketen angreifen könnten. Auf seinem Hof lagern mehr als 2500 Tonnen seiner letzten Ernte, die er wegen des Krieges in diesem Jahr nicht verkaufen konnte.
Normalerweise, erzählt er, wäre diese Lagerhalle jetzt im Frühjahr komplett leer. Aber nun seien die Seewege blockiert und der Hafen von Mykolaiv vollständig zerstört. "Wir Landwirte haben riesige Probleme, unsere Produkte zu exportieren", sagt Mykola.
Vorerst hilft das Ersparte
80 Prozent seiner Ernte verkauft der Landwirt üblicherweise ins Ausland, zu guten Preisen. Von dem Geld kauft er dann Düngemittel und Treibstoff für die nächste Saison ein. In diesem Jahr musste er auf sein Erspartes zurückgreifen. Seine Mitarbeiter können jetzt also die Gerstenfelder düngen.
Allerdings kommt erschwerend hinzu, dass sich die Preise für Diesel und Dünger verdoppelt haben. Die größten Sorgen, aber sagt Mykola, mache er sich darüber, was passieren würde, wenn die Russen auch bis zu seinem Ort vorrücken.
Er berichtet von einem Gespräch mit einem befreundeten Bauern aus Cherson, der nicht mehr auf seinen Feldern arbeiten könne. Die Besatzer hätten alle Maschinen "mitgehen lassen". Der Krieg, befürchtet Mykola, werde "einen sehr negativen Einfluss auf die weltweite Lebensmittelversorgung haben".
Dieser Landwirt bestellt sein Feld bei Saporischschja nur noch mit Helm und Schutzweste.
Nicht alle müssen zur Armee
Auf einige seiner Mitarbeiter muss Mykola nun schon verzichten: Sie sind eingezogen worden. Ein neues Gesetz in der Ukraine allerdings besagt, dass nur so viele Mitarbeiter in den Krieg ziehen müssen, wie es die Betriebe auch verkraften können.
Viktor zum Beispiel ist geblieben, sein Bruder ist an die Front gegangen. Noch zieht Viktor weiter mit dem Traktor seine Runden über die Felder, um sie zu düngen. Aus der Gerste, die hier angebaut werde, entstehe doch Brot, das sein Land brauche: "In unserer Arbeit steckt unser ganzes Herz", sagt er.
Dennoch: Sollte der Krieg bis zu seinem Dorf vorrücken, würde auch Viktor zur Waffe greifen. Schon jetzt sei er in der Bürgerwehr, die nachts durch die Straßen seine Dorfes patrouilliere. "Wenn sich das ukrainische Militär bei mir meldet, würde ich sofort zusagen - ohne zu zögern."
Den Hafer - wie hier bei Kiew - zu ernten, ist das eine. Wie ihn dann aber exportieren? Die Landwirte in der Ukraine haben auch mit dieser Frage zu kämpfen.
Die Schmerzen der Landwirte
Mykola, der Besitzer des Landwirtschaftsbetriebs, lässt die Maiskörner durch seine Hände rieseln, die er schon längst hatte verkaufen wollen. Er hofft darauf, dass Europa einen Weg finden wird, die Seewege wieder zu öffnen. Mit dem Zug könnte nur zehn Mal weniger ins Ausland transportiert werden.
Produkte zu haben und sie nicht in andere Länder liefern zu können - "das tut wirklich weh", sagt Mykola, "nicht nur mir, sondern allen Landwirten". Aber leider hätten sie gerade keinen Einfluss darauf, diese Probleme zu lösen.
Mykola schließt die Tore seiner Lager wieder zu und hofft darauf, dass es bald eine Lösung geben wird, bevor die Ernte in den Silos verfaulen muss.