Westukraine Lwiw bereitet sich auf den Krieg vor
Der Krieg tobt in vielen Landesteilen der Ukraine. Im Westen ist es noch ruhig. Die Menschen in Lwiw bereiten sich aber auf Angriffe der russischen Armee vor - und versuchen, die Gebäude abzusichern.
Adonis war in der Antike der Gott der Schönheit und der Vegetation. Im westukrainischen Lwiw widmete ihm der österreichische Bildhauer Hartmann Witwer eine Statue, vor ziemlich genau 200 Jahren, als Lwiw noch Lemberg hieß.
Gerade ist von der Schönheit des modellierten Gottes nichts zu sehen, die Statue ist mit Plastikplanen eingewickelt. Gerüstbauer verschrauben drumherum schwere Stahlrohre, später werden die Männer daran Holzplatten befestigen: Adonis sozusagen in einem riesigen Kasten verschwinden lassen und den mit Sand auffüllen. Das sei eine gewisse Sicherung der Statue, sagt einer der Gerüstbauer. Und er ergänzt: Für den Fall, dass die russische Luftwaffe Lwiw bombardieren sollte.
Menschen richten sich auf Attacken ein
Sollte Russlands Präsident Wladimir Putin die ganze Ukraine einnehmen wollen, müsste er über kurz oder lang auch Lwiw angreifen. Denn die Stadt ist das Zentrum im Westen des Landes.
Die Menschen richten sich auf Attacken ein - auch auf Angriffe auf die Gebäude von Lwiw: An alten Kirchen verdecken sie mit Holzplatten die Kirchenfenster, damit Druckwellen von Detonationen das bunte Glas nicht zersplittern lassen. Mit Schaufenstern versuchen Geschäftsinhaber Ähnliches: Sie kleben die Scheiben ab. In den Außenbezirken der Stadt finden immer wieder Straßenkontrollen statt, bei denen die Stadtverwaltung mögliche Saboteure entdecken will.
Keller werden umgebaut
Kriegsvorbereitungen trifft auch Ivan Luzenko, Leiter der deutschen Ursulinen-Schule in Lwiw. Luzenko, ein kräftiger Mann in den Fünfzigern, führt in den Keller des alten Gebäudes, das früher ein Kloster war.
"Deswegen haben wir auch breite und lange Keller", erklärt Luzenko. "Es war eher kein Schutzkeller, aber wir haben es umgebaut. Wir haben hier ein paar Kekse, Becher, Wasser. Dort gibt es auch Arzneimittel, und so weiter."
Acht Tage lang im Keller
Seit Kriegsbeginn ist der Unterricht in der Ukraine ausgefallen - auch an der Ursulinen-Schule. Kommende Woche soll er wieder aufgenommen werden - online. Damit haben Schüler- und Lehrerschaft ja reichlich Erfahrung - wegen der Corona-Pandemie, sagt Schulleiter Luzenko. In den Klassenzimmern könne der Unterricht jedenfalls nicht stattfinden, weil in den Räumen Geflüchtete untergekommen sind.
Zu ihnen gehört auch Swetlana, ebenfalls Deutschlehrerin, die sich mit ihren zwei Kindern aus dem schwer umkämpften Charkiw nach Lwiw durchschlagen konnte. "Meine Kinder saßen acht Tage im Keller, wir hatten natürlich Angst. Und dann haben wir uns entschieden, hierher in die Westukraine zu fahren. Und das hat sehr lange gedauert. Vier Tage. Ich habe Angst, natürlich habe ich Angst. Niemand hat erwartet, dass so etwas im 21. Jahrhundert in einem europäischen Land passieren kann."
Sich auf alles Mögliche einzustellen - auch auf das Unerwartbare - ist ebenfalls eine Kriegsvorbereitung.
Energieriegel für die Front
Gewappnet sind auch die 20 bis 30 Frauen, die sich täglich im Priesterseminar des Heiligen Geistes treffen, um zu kochen. Helena, kurzer, brauner Pagenschnitt, die an einer der Rührmaschinen steht, erzählt, was alles in der Masse ist, die da in großen Schüsseln zusammenkommt. Trockenobst, Nüsse und Honig sind drin. Später verkneten Helena und die anderen Frauen die Masse und schneiden sie in Stücke. Am Ende kommen dabei Energieriegel heraus.
Bis zu 150 Kilo dieses Kraftstoffs produzieren die Frauen, wickeln die Riegel in Wachspapier und verpacken sie in Kartons. Freiwillige transportieren sie schließlich in ihren Autos an die Front - in Städte wie Charkiw, Mariupol oder Kiew. Und, klar, sagen Helena und die anderen, damit würden sie auch weitermachen, wenn der Krieg ihre Stadt erreichen sollte.