Ukraine-Krieg In Mariupol fehlt es an allem
In der von russischen Truppen eingekesselten Stadt Mariupol wird die Lage immer unerträglicher. Hilfsorganisationen berichten von ersten Kämpfen um Lebensmittel. Aus anderen Städten werden Angriffe gemeldet.
Zerstörte Häuser. Straßen und Plätze, die mit Trümmerteilen übersät sind. Ausgebrannte Autos. Das zeigen Videos aus Mariupol. Seit Tagen ist die Stadt unter schwerem Beschuss, erzählt Bürgermeister Bojtschenko: "Luftstreitkräfte feuerten auf Wohngebiete und töteten ältere Menschen, Frauen, Kinder. Das ist die Größe der heutigen russischen Armee. Das ist Zynismus. Das ist der Völkermord, den die russische Armee, angeführt von ihrem Terroristen Putin, gegen das friedliche Mariupol inszeniert hat."
"Wir versuchen, unser Bestes zu geben"
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte einen Audio-Clip seines Mitarbeiters Sascha Wolkow, der sich in Mariupol befindet und die Lage beschreibt: "Wir bieten Schutz im Keller nur für Kinder und ihre Mütter. Alle anderen Erwachsenen und Kinder schlafen in den Büroräumen. Es ist wirklich kalt. Wir haben noch etwas Benzin für die Generatoren. Damit haben wir Elektrizität für drei bis vier Stunden am Tag. (...) Wir haben Lebensmittel für ein paar Tage. Viele von uns sind inzwischen krank wegen der Feuchtigkeit und der Kälte."
Noch gebe es einen Vorrat an Trinkwasser, so Wolkow: "Wenn das ausgeht, werden wir Wasser aus dem Fluss kochen." (...) Wir versuchen, Leuten auf der Straße Elektrizität zu geben, damit sie ihre Handys aufladen können und Licht in der Nacht haben. Wir versuchen, unser Bestes zu geben."
Erste Kämpfe um Lebensmittel
In den vergangenen Tagen schafften es offenbar nur wenige, aus der Hafenstadt im Südosten der Ukraine herauszukommen. Nach ukrainischen Angaben sollen dort rund 300.000 Menschen weiter ausharren - ihre Lage verschärft sich offenbar dramatisch. Hilfsorganisationen berichten von ersten Kämpfen um Lebensmittel. Plünderungen hätten stattgefunden. Es soll keinen Strom, kein Wasser und keine Heizung geben - und das bei Temperaturen unter null Grad. Viele Menschen seien wegen der Kälte krank geworden.
In einer Videobotschaft schickte die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Iryna Wereschtschuk, einen dramatischen Appell an die Welt: "Helft Mariupol! Dort gibt es eine humanitäre Katastrophe. Wir konnten keine Hilfslieferungen dorthin bringen. Weder Wasser, noch Medikamente, noch Lebensmittel wurden den Menschen gebracht, die seit Tagen unter vollem Beschuss sind."
Russland will Fluchtkorridore offen halten
Vielleicht eine Hoffnung: Das russische Verteidigungsministerium hatte am Abend angekündigt, heute eine Feuerpause einzulegen, damit Menschen die umkämpften Städte verlassen könnten. Generaloberst Mizinzew sagte. "Wir erklären offiziell, dass die Fluchtkorridore in Richtung der Russischen Föderation täglich einseitig geöffnet werden."
Russland will die Fluchtkorridore demnach für Mariupol, Sumy, Charkiw, Tschernihiw und die Hauptstadt Kiew öffnen. Menschen sollen von dort aus nach Russland gebracht werden können. Es soll aber auch weitere Fluchtkorridore geben, die in die Ukraine führen. Sie sollen in Absprache mit ukrainischen Seite geöffnet werden.
Weitere russische Angriffe
In der Nacht und am Morgen gab es einzelne Angriffe der russischen Armee auf die Ukraine. Gestern Abend wurde offenbar erneut die nukleare Forschungsanlage in Charkiw in der Ostukraine beschossen. Die Anlage ist ohne Strom, das Gebäude wurde beschädigt.
In Dnipro, im Osten der Ukraine, und in Luzk, im Westen der Ukraine, soll es am Morgen Explosionen gegeben haben. Laut dem Rettungsdienst in Dnipro wurde mindestens ein Mensch getötet. Die Luftangriffe hätten einen Kindergarten, ein Mehrfamilienhaus und eine zweistöckige Fabrik getroffen. Dnipro mit seinen etwa eine Million Einwohnern war bislang von größeren russischen Angriffen verschont worden.
Die schraffierten Bereiche zeigen die von den Russen kontrollierten Gebiete in der Ukraine.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.