Nach Beschuss von Odessa Selenskyj wirft Russland Vertragsbruch vor
Das Getreideabkommen wackelt schon nach einem Tag: "Egal, was Russland verspricht, es wird Möglichkeiten finden, es nicht umzusetzen", so der ukrainische Präsident Selenskyj. Er reagierte damit auf den Beschuss Odessas, an dem Russland aber nicht schuld sein will.
Nach Angaben der ukrainischen Regierung hat Russland den Hafen von Odessa beschossen - einen jener Häfen, über den nach einer Vereinbarung beider Staaten wieder ukrainisches Getreide exportiert werden soll. Welche Folgen hat das für das Getreideabkommen? Die Aussagen dazu aus der ukrainischen Regierung sind nicht ganz eindeutig.
Während Infrastrukturminister Olexander Kubrakow via Facebook mitteilte, dass die Ukraine ihre Vorbereitungen zur Wiederaufnahme des Getreideexports aus ihren Häfen fortsetze, stellte Präsident Wolodymyr Selenskyj den Sinn des Getreideabkommens mit Russland infrage.
Dieses Bild zeigt nach ukrainischen Angaben Feuerwehrleute, die nach dem russischen Beschuss im Hafen von Odessa im Einsatz sind.
Keine offizielle Reaktion aus Russland
Der Angriff beweise eines: "Egal was Russland sagt oder verspricht, es wird Möglichkeiten finden, es nicht umzusetzen", sagt Selenskyj in einem auf Telegram verbreiteten Video. Die Ukraine hatte den russischen Angriff als Bruch des erst gestern geschlossenen Abkommens über Getreideexporte gewertet. Der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, forderte als Reaktion "effektive Sanktionen gegen Russland und mehr Waffen für die Ukraine".
Das ukrainische Außenministerium erklärte, es habe nach der von UN-Generalsekretär António Guterres und der Türkei vermittelten und in Istanbul unterzeichneten Vereinbarung "weniger als 24 Stunden gedauert, bis Russland einen Raketenangriff auf den Hafen von Odessa gestartet hat". Der russische Präsident Wladimir Putin habe damit Guterres und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan "ins Gesicht gespuckt", die sich so sehr für die Vereinbarung eingesetzt hätten.
Russland hat nach Angaben des türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar erklärt, es habe nichts mit diesem Angriff zu tun und wolle den Vorfall untersuchen. Eine offizielle russische Reaktion lag bis zum Abend nicht vor. Bei dem Beschuss von Odessa wurden nach ukrainischen Angaben zwei russische Raketen von der Luftabwehr abgefangen, zwei weitere sollen im Hafen eingeschlagen sein. Dabei sei Infrastruktur des Hafens beschädigt worden.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Russland hatte am Freitag in einem Abkommen zugesichert, Schiffe für den Export über einen Seekorridor fahren zu lassen und nicht zu beschießen. Auch die drei beteiligten Häfen dürfen demnach nicht angegriffen werden. Es geht dabei unter anderem um die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide. Die Einigung sieht vor, die Exporte von einem Kontrollzentrum in Istanbul überwachen zu lassen.
Die UN und die Europäische Union verurteilten den Beschuss umgehend. UN-Generalsekretär Guterres, der am Freitag der Unterzeichnung beigewohnt hatte, betonte, alle Parteien hätten sich klar verpflichtet, den sicheren Export ukrainischen Getreides zu gewährleisten. "Die vollständige Umsetzung durch die Russische Föderation, die Ukraine und die Türkei ist zwingend erforderlich", erklärte er. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb bei Twitter, der Beschuss des Hafens zeige "erneut Russlands völlige Missachtung des Völkerrechts und der Verpflichtungen".