Streit um Rechtsstaatlichkeit Ungarn verliert Anspruch auf EU-Milliarden
Ungarns Regierungschef Orban weigert sich, von der EU geforderte Rechtsstaatsreformen umzusetzen. Damit verfallen jetzt EU-Hilfen. Budapest reagiert verständnislos - setzt aber mittlerweile auf China.
Ungarn hat wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit den Anspruch auf EU-Hilfen in Höhe von rund einer Milliarde Euro verloren. Zur Freigabe des Geldes hätte das Land bis Ende 2024 Reformauflagen umsetzen müssen, sagte eine Sprecherin der Europäischen Kommission der Nachrichtenagentur dpa.
Bei den verfallenen Mitteln handelt es sich um 1,04 Milliarden Euro, die für Ungarn aus Programmen zur Förderung strukturschwacher Gebiete vorgesehen waren. Die Gelder waren Ende 2022 eingefroren worden, weil die EU-Kommission nach Analysen zum Schluss gekommen war, dass Ungarn verschiedene EU-Standards und Grundwerte missachtet.
Fehlende Reformen
Zur Freigabe der Gelder hätte Ungarn bis Jahresende ausreichende Reformen umsetzen müssen. Dazu gehören unter anderem Änderungen von Gesetzen zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Korruptionsbekämpfung. Das ist aber nicht passiert.
Die Führung in Budapest reagierte verständnislos auf den Verfall der Gelder. "Die ungarische Regierung hat alle Bedingungen für die Abrufung der EU-Ressourcen erfüllt", schrieb Europa-Minister Janos Boka vor dem Jahreswechsel auf seiner Facebook-Seite. "Brüssel will die Gelder, die Ungarn und den ungarischen Menschen zustehen, aus politischen Gründen wegnehmen", fügte er hinzu.
Milliarden-Kredit aus China als Plan B
Um Finanzierungslücken zu füllen, setzte Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orban zuletzt unter anderem auf China. Im April rief Ungarn einen Kredit in Höhe von einer Milliarde Euro ab, den das Land bei chinesischen Staatsbanken aufnahm. Das geschah diskret und wurde erst im Juli bekannt, als das ungarische Zentrum für Staatsschulden (AKK) dazu Eckdaten veröffentlichte. Demnach hat das Darlehen eine Laufzeit von drei Jahren. Die Höhe der Zinsen und die Tilgungsintervalle sind nicht bekannt.
China ist in Ungarn stark aktiv: Der E-Auto-Hersteller BYD baut ein großes Werk und der Batteriezellen-Erzeuger Catl eine Megafabrik. Chinesische Unternehmen bauen die neue Bahnstrecke von Budapest in die serbische Hauptstadt Belgrad. Für den Bau des ungarischen Abschnitts nahm Ungarn bei der chinesischen Exim-Bank einen Kredit von fast 900 Millionen Euro auf.
Brüssel zwischen Druck und Kompromiss
Trotz der chinesischen Finanzhilfen versucht Orban weiter, eingefrorene EU-Mittel freizubekommen. Nach früheren Angaben der EU-Kommission waren zuletzt noch rund 19 Milliarden Euro EU-Gelder für Ungarn blockiert, darunter weitere Fördermittel und Corona-Hilfen.
Anfang Dezember hatte Orban mit einem Veto gegen den nächsten Sieben-Jahre-Haushalt der EU gedroht, falls Brüssel die derzeit für Ungarn blockierten EU-Gelder nicht freigibt. Über den nächsten langfristigen EU-Haushalt von 2028 bis 2035 beginnen die Verhandlungen voraussichtlich Mitte 2025.