Wahl zur Kommissionschefin Von der Leyen muss EU-Parlament überzeugen
Von der Leyen ist - für Außenstehende überraschend - als EU-Kommissionspräsidentin nominiert worden. Doch das letzte Wort hat demnächst das EU-Parlament. Dort muss nun viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
An diese Frau hat in Brüssel wirklich niemand gedacht, wenn es um die Frage ging: Wer wird in Zukunft an der Spitze der Europäischen Kommission sein - im höchsten Amt der EU? Ursula von der Leyen, die deutsche Bundesverteidigungsministerin:
Jeder und jede kann etwas für Europa tun… wir können alle in unseren Positionen auch immer etwas tun für Europa.
Das war im April - und von der Leyens Antwort auf die Frage eines Journalisten, ob sie sich vorstellen könne, in der Europäischen Union ein wichtiges Amt zu übernehmen. Müßig wohl zu spekulieren, ob sie da schon etwas wusste, von dem, was nun möglicherweise auf sie zukommt - oder nicht.
Parlament nicht überzeugt
Denn auch, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs sich gestern quasi geschlossen für sie als neue Chefin der EU-Kommission ausgesprochen haben: Entschieden, dass sie es wirklich wird, ist das Ganze noch nicht. Wenn das Europäische Parlament seine Zustimmung verweigert, müssen die 28 ihre Suche von vorne beginnen - und das in der Sommerpause der Europäischen Institutionen, was die Sache außerordentlich schwer machen dürfte.
Im Kreise der Regierungschefs will man an dieses Risiko gar nicht denken, sondern jetzt Überzeugungsarbeit bei den EU-Abgeordneten leisten. Bisher schwanken die Reaktionen dort zwischen Entsetzen, Fassungslosigkeit und Resignation. Die Grünen sprechen von einer grotesken Vorgehensweise, die Sozialdemokraten davon, dass mit diesem Vorschlag die Demokratie ausgehebelt werde - und selbst aus der EVP-Fraktion kommt Kritik. Damit sei das Spitzenkandidatenprinzip tot, heißt es - denn Manfred Weber und Frans Timmermanns spielen bei dem Personalpaket der Staats- und Regierungschefs bestensfalls eine Nebenrolle.
"Ich habe versucht, eine faire Lösung für Frans Timmermanns und Manfred Weber zu finden im Europäischen Rat - das ist nicht gelungen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern nach der Entscheidung. In Zukunft müsse deshalb an einem besseren System gearbeitet werden, mit dem man den Wählerinnen und Wählern in Europa eine Möglichkeit gebe könne, auf die europäischen Spitzenämter Einfluss zu nehmen. Aber das ist noch weit weg.
Knatsch zwischen Deutschland und Frankreich
Jetzt kam es den Staats- und Regierungschefs offenbar darauf an, überhaupt eine Lösung aus der verfahrenen Situation zu finden. Denn es ging ja nicht nur um den Streit über das Spitzenkandidatenprinzip, es ging auch um die Frage, wie man mit den komplizierteren Mehrheitsverhältnissen im Europäischen Parlament umgeht. Und: Es ging um offensichtliche Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich. Die seien nun vom Tisch, sagte Frankreichs Präsident Macron.
Diese Einigung trage die Früchte einer tiefen französisch-deutschen Zusammenarbeit, so Macron - und er ergänzte:
Der Vorschlag des Europäischen Rates mit Ursula von der Leyen als Präsidentin der EU-Kommission ist die Grundlage für ein neues europäisches Führungsteam, in dessen Zentrum die Kriterien Kompetenz, Erfahrung, Geschlechterausgewogenheit und der Ausgleich zwischen den Europäischen Regionen stehen.
Gesamtes Personalpaket geschnürt
Zum gesamten Personalpaket der EU-Regierungschefs gehören auch die Namen des belgischen Premiers Charles Michel, der französischen IWF-Chefin Christine Lagarde und des spanischen Außenministers Josep Borrell. Er soll EU-Außenbeauftragter werden, Lagarde ist für die Spitze der Europäischen Zentralbank vorgesehen, und Charles Michel soll das Amt des EU-Ratspräsidenten bekommen.
Manfred Weber hat gestern seinen Anspruch offiziell aufgegeben, EU-Kommissionspräsident zu werden. Wenn das Europäische Parlament heute seinen Präsidenten oder seine Präsidentin wählt, wird er ebenfalls nicht antreten.