Wiener Terrorprozess Opfer erwarten genaue Aufarbeitung
Im November 2020 tötete ein IS-Anhänger in Wien vier Menschen und verletzte viele weitere, bevor ihn die Polizei erschoss. Nun stehen sechs mutmaßliche Helfer vor Gericht. Zum Prozessauftakt gab es viel Kritik an den Behörden.
Justizbeamte mit Sturmgewehren, Kameraverbot im Verhandlungssaal: Unter großem Sicherheitsaufgebot und Medieninteresse hat heute der Strafprozess gegen mutmaßliche Helfer des Attentäters von Wien begonnen. Die Staatsanwältin äußerte sich vorab nicht öffentlich, hielt aber in ihrem Eröffnungsplädoyer den Kern der 117-seitigen Anklageschrift so fest: Es gehe um die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte.
Angeklagte streiten Vorwürfe ab
Die angeklagten Männer sollen den Attentäter bei den Vorbereitungen des Anschlags unterstützt haben. Mehrere Männer sollen ihm etwa bei der Beschaffung von Waffen und Munition geholfen haben. Einige Angeklagte sollen den späteren Attentäter zudem in seinen Terrorabsichten bestärkt haben. Alle weisen die Vorwürfe von sich. Auch von den Anschlagsplänen wollen sie nichts gewusst haben.
"Von den Angeklagten wird jetzt verlangt, dass sie eine bessere Einschätzung hatten als der Verfassungsschutz", sagte Wolfgang Mekis, der einer ihrer Verteidiger ist. Dabei sei der Behörde aufgrund der Vorverurteilung des Attentäters bekannt gewesen, dass dieser gefährlich war. "Hier wird mit zwei ganz verschiedenen Maßstäben gemessen", kritisierte der Anwalt.
Warnungen schon im Vorfeld
Mekis bezog sich darauf, dass der spätere Attentäter bereits eine Haftstrafe verbüßt hatte. Er hatte Propagandamaterial der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) verbreitet und zudem versucht, nach Syrien zu gelangen. Zudem hatten slowakische Sicherheitsbehörden den österreichischen Verfassungsschutz über einen versuchten unerlaubten Munitionskauf des Mannes in Bratislava informiert.
Das war jedoch ohne Folgen geblieben. Nach dem Anschlag wurden die Fehler der Sicherheitsbehörden von einer Untersuchungskommission aufgearbeitet. "Aus meiner Sicht sind das primär Verfehlungen im Bereich der Kommunikation und der Koordination", fasste Nicolas Stockhammer das zusammen, was schiefgegangen war. Er forscht an der Universität Krems zu Terrorismus und gewalttätigem Extremismus.
"Es wurden Informationen nicht zeitgerecht oder gar nicht weitergegeben. Es wurden gewisse Einschätzungen sehr spät getroffen, eben was den Grad der Gefährdung betrifft." Auch hätten die Behörden vielleicht Hinweise zu wenig ernst genommen.
"Opfer in Formularkrieg geschickt"
Das Versagen der Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Anschlags sei für die Opfer und Hinterbliebenen der Getöteten enttäuschend, sagte Anwalt Karl Newole, der 24 Menschen in Zivilrechtsverfahren vertrat. "Man hat dann im Nachhinein keine Fehlerkultur gezeigt. Man hat gemauert, man hat keine Informationen erteilt und das hat eine große Frustration hervorgerufen."
Es habe auch keinerlei Empathie gegeben. "Währen in Frankreich ein Präsident nach so einem Anschlag bei den Opfern ist, oder beim Begräbnis ist, wird in Österreich ein Opfer in den Formularkrieg geschickt", rügte Newole. Diese würden dann sehr geringe Schadenersatzzahlungen bekommen und müssten ein Jahr lang kämpfen, dass sie überhaupt entsprechende finanzielle Unterstützung erhalten.
Urteile frühestens im Februar
Rachegedanken würden die Betroffenen keine hegen, sagte Anwalt Newole. Die Opfer erwarteten von der Justiz aber eine saubere Aufarbeitung der Geschehnisse und der Frage, ob die Angeklagten beteiligt waren oder nicht. Angesetzt sind dafür noch 18 Prozesstage. Mit Urteilen wird frühestens im Februar gerechnet. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Verurteilung wegen Mordes. Je nach Alter der Angeklagten würde das die Höchststrafe bedeuten, also Lebenslänglich.