Schüsse in Wien Regierung spricht von islamistischem Terror
Nach ersten Erkenntnissen sollen Islamisten für den Anschlag in der Wiener Innenstadt verantwortlich sein. Das teilte Österreichs Innenminister Nehammer mit. Bei dem Angriff starben vier Menschen, ein mutmaßlicher Täter wurde erschossen.
Österreichs Innenminister Karl Nehammer hat mitgeteilt, dass der getötete Attentäter von Wien IS-Sympathisant war. Der Mann sei mit einem Sturmgewehr bewaffnet gewesen und habe außerdem als Attrappe einen Sprengstoffgürtel getragen. Er habe offenbar Panik verbreiten wollen.
Ermittler hätten die Wohnung des Verdächtigen nach belastendem Material durchsucht. Im Umfeld des mutmaßlichen Täters seien mehrere Menschen festgenommen worden, hieß es aus dem Innenministerium. 1000 Beamte befänden sich im Einsatz.
"Wir können derzeit nicht ausschließen, dass es noch andere Täter gibt", sagte Nehammer. Die entsprechenden Ermittlungen liefen auf Hochtouren. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach von einem "widerwärtigen Terroranschlag".
Vier Passanten getötet
Bei dem Terrorangriff in der Wiener Innenstadt wurden vier Passanten getötet - zwei Männer und zwei Frauen. Ein Attentäter wurde von Polizisten erschossen. 15 Menschen wurden mit schweren Verletzungen in Krankenhäuser eingeliefert. Aufgrund der weiteren polizeilichen Ermittlungen wurden die Bürger aufgerufen, die Innenstadt zu meiden. Die Attacke hatte gegen 20 Uhr im Ausgehviertel Bermuda-Dreieck begonnen, wo kurz vor Beginn neuer Corona-Ausgangssperren und bei mildem Wetter viele Menschen unterwegs waren.
Die Angreifer feuerten nach Angaben der Polizei an sechs verschiedenen Tatorten mit Gewehren um sich. Laut Wiens Bürgermeister Michael Ludwig schossen sie "wahllos" auf Gäste in Lokalen. In Panik suchten zahllose Passanten Schutz in anliegenden Gebäuden.
"Ich saß direkt in der ersten Fensterreihe und habe gesehen, wie Polizisten mit gezogener Handfeuerwaffe vorbeigelaufen sind", erzählte einer von ihnen. Er habe Schüsse gehört. Unmittelbar danach seien die ersten Blaulichtfahrzeuge auf dem Schwedenplatz eingetroffen und Polizisten mit Sturmgewehren seien ausgeschwärmt.
"Stand dem Attentäter gegenüber"
Die Tatorte lagen unter anderem nahe der Staatsoper und der Hauptsynagoge der österreichischen Hauptstadt. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, erklärte im Onlinedienst Twitter, es sei noch unklar, ob das Gotteshaus eines der Angriffsziele gewesen sei. Die Synagoge war demnach zum Zeitpunkt der Tat geschlossen und das Bürogebäude der Gemeinde unbesetzt.
Schlomo Hofmeister von der jüdischen Gemeinde verfolgte den Anschlag von einem Fenster aus. Gegenüber dem Sender ORF sagte er, dass ein Angreifer gezielt auf die Besucher der gegenüberliegenden Bars und Pubs geschossen habe. Die Angreifer seien herumgerannt. In dieser Viertelstunde hätten sie 150 Schüsse abgefeuert, sagte Hofmeister.
Ein junger Mann schilderte dem ORF, dass er einen der Attentäter gegenübergestanden habe. "Ich war die einzige Person dort. Er hat mich ins Visier genommen", erzählte er. Er habe hinter einer Steinmauer Deckung gesucht, als der Täter auf ihn schießen wollte. Er hörte noch Schüsse, konnte aber fliehen.
Kurz sagte im Sender ORF, die Täter seien mit Schnellfeuerwaffen ausgerüstet gewesen. Der Anschlag sei sehr professionell vorbereitet worden. Bei der Großfahndung in der Nacht waren Hunderte Beamte im Einsatz. Die Sicherung wichtiger Gebäuden in Wien übernahm die Armee. Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, kündigte verstärkte Kontrollen an den österreichischen Grenzen an.
Schulpflicht am Dienstag ausgesetzt
Innenminister Nehammer appellierte an die Einwohner von Wien, zu Hause zu bleiben und die Innenstadt zu meiden. Kinder in der Hauptstadt wurden für Dienstag von der Schulpflicht entbunden. "Wir werden uns durch Terrorismus niemals einschüchtern lassen und diese Angriffe mit allen Mitteln entschieden bekämpfen", betonte Kanzler Kurz.
Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen erklärte: "Wir werden unsere Freiheit und Demokratie gemeinsam und entschlossen mit allen gebotenen Mitteln verteidigen." Solidaritätsadressen für Österreich kamen aus ganz Europa. "Unsere Gedanken sind bei den Verletzten und Opfern in diesen schweren Stunden", erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Es fügte hinzu: "Wir dürfen nicht dem Hass weichen, der unsere Gesellschaften spalten soll." Das Ministerium rief deutsche Staatsbürger in Wien auf, an einem sicheren Ort zu bleiben, bis es Entwarnung gebe.
Weltweite Anteilnahme
Die EU verurteilte den "feigen" Angriff. Ratspräsident Charles Michel erklärte im Onlinedienst Twitter, die Tat habe sich gegen "das Leben und unsere menschlichen Werte" gerichtet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen twitterte, Europa stehe "in voller Solidarität an Österreichs Seite".
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hob hervor, dass "ein befreundetes Land" und "Europa" angegriffen worden seien. "Wir werden nicht zurückweichen", twitterte er. In Frankreich waren in den vergangenen Wochen zwei mutmaßlich islamistisch motivierte Anschläge bei Paris und in Nizza verübt worden, bei denen ein Lehrer und drei Kirchenbesucher getötet worden waren.
Mit Informationen von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Wien