Medienbericht über Geheimdokumente US-Militärmitarbeiter soll hinter Leck stecken
Die Veröffentlichung von US-Geheimdokumenten zum Ukraine-Krieg sorgt weiter für Unruhe. Möglicherweise ist der Verantwortliche nun gefunden. Laut einem Bericht der "Washington Post" handelt es sich um einen Mitarbeiter einer US-Militärbasis.
Die im Internet aufgetauchten US-Geheimdokumente sollen nach Recherchen der "Washington Post" von einem Mitarbeiter einer Militärbasis in den USA veröffentlicht worden sein. Wie die Zeitung berichtet, erfuhr sie von zwei Mitgliedern einer Gruppe auf der Online-Plattform Discord, dass Hunderte Seiten aus geheimen Regierungsdokumenten von dem jungen Mann auf dieser Plattform platziert worden seien.
Der Mann habe ihnen erzählt, dass er die Schriftstücke von seiner Arbeit auf der Militärbasis mit nach Hause gebracht hat. Die brisanten Unterlagen seien von ihm zunächst als Abschriften in einer von ihm geleiteten Chat-Gruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform geteilt worden, hieß es in dem Bericht weiter.
FBI durchsucht Haus von Verdächtigem
Es soll sich nach Angaben der "New York Times" um einen 21 Jahre alten Mitarbeiter der Nationalgarde handeln. Zwei US-Beamte bestätigten der Zeitung, dass die Ermittlungen den jungen Mann im Zusammenhang mit dem Geheimdienst-Skandal befragten wollten.
Laut Zeitungsbericht, stimmten Details der Inneneinrichtung aus dem Elternhaus des 21-Jährigen, die auf Familienfotos in sozialen Medien veröffentlicht worden seien, mit Details am Rand einiger Fotos der veröffentlichten Geheimdokumente überein. Das FBI durchsuche derzeit das Zuhause des Verdächtigen.
Das "Wall Street Journal" berichtet außerdem, der Nationalgardist sei zum Zeitpunkt der Offenlegung in Fort Bragg im Bundesstaat North Carolina stationiert gewesen.
"Schlechte Meinung von der US-Regierung"
Der Mann mit dem Spitznamen "OG" habe die Dokumente über Monate in der Discord-Gruppe gepostet, zu deren etwa 24 Mitglieder, auch Menschen aus Russland und der Ukraine gehörten. Ihr gemeinsames Interesse, so die "Washington Post", sei ihre "Liebe zu Waffen, militärischer Ausrüstung und Gott". Der Zeitung zufolge hat der Mann eine "schlechte Meinung von der Regierung" in Washington. Ein Gruppenmitglied sagte demnach, "OG" habe die Vereinigten Staaten und besonders die Strafverfolgungsbehörden und die Geheimdienste als "dunkle Macht" bezeichnet, die versuche, die Bürger zu unterdrücken und "im Dunkeln zu halten".
Er soll demnach Gruppenmitgliedern berichtet haben, dass er "stundenlang geschuftet" habe, um die vertraulichen Dokumente abzuschreiben, um sie dann mit den Mitgliedern der Discord-Gruppe zu teilen. Um sich die Arbeit zu erleichtern, habe er später angefangen, die Dokumente abzufotografieren und dann zu teilen.
Wollte kein Whistleblower sein
Die "Washington Post" zitierte einen der Discord-Nutzer mit den Worten, "OG" habe den Gruppenmitgliedern aufgetragen, ihrerseits die Dokumente nicht zu verbreiten. Er habe zudem gesagt, kein sogenannter Whistleblower sein zu wollen.
Seit Wochen kursieren im Internet geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. US-Medien berichteten kurz vor Ostern erstmals über das Leck um dieses sensible Material zu beiden Kriegsparteien, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. Danach wurde intensiv nach der Person gesucht, die diese Dokumente publiziert hat.
Vielleicht auch eine falsche Fährte
Die "Washington Post" machte allerdings auch auf einen anderen Punkt aufmerksam: Die Erzählung rund um Discord könne auch das Manöver eines raffinierten Gegners sein, um die Ermittler auf eine falsche Fährte zu lenken, schrieb das Blatt unter Berufung auf frühere Verteidigungsbeamte.
Das Nachrichtenportal "Politico" warf die Frage auf, wie es sein könne, dass die zuständigen US-Stellen erst im April auf die seit Monaten zirkulierenden Geheimpapiere aufmerksam geworden seien - als es erste Medienberichte dazu gab. "Dies deutet darauf hin, dass es online möglicherweise einen großen blinden Fleck bei der Erfassung von Geheimdienstinformationen in den USA gibt", schreibt das Nachrichtenportal.
Informanten wollen Identität nicht preisgeben
Mehr könnten die Ermittler womöglich von den beiden Chatgruppen-Nutzern erfahren, mit denen die "Washington Post" sprach. Doch diese machten laut der Zeitung klar, dass sie zwar die echte Identität von "OG" und den Bundesstaat kennen, wo er lebe, aber nicht bereit seien, diese Information preiszugeben. Schließlich seien sie so etwas wie eine Familie.
Mitte März habe "OG" aufgehört, Dokumente mit der Chat-Gruppe zu teilen, berichtete die Zeitung weiter. Grund war demnach, dass jemand aus dem Kreis Ende Februar Unterlagen in einer anderen Gruppe gepostet und somit das Geheimhaltungsgebot gebrochen hatte. Anfang April, kurz bevor die "New York Times" über das Leck berichtete, habe "OG" verzweifelt gewirkt. "Er sagte, es sei etwas passiert und er bete zu Gott, dass dieses Ereignis nicht eintrete", wird eines der beiden interviewten Mitglieder zitiert. Dabei handele es sich um einen Minderjährigen, dessen Mutter dafür der Zeitung ihre Erlaubnis geben musste.
Biden sieht keine Gefahr
US-Präsident Joe Biden sieht nach eigenen Angaben keine unmittelbare Gefahr durch das massive Datenleck. Während seines Besuchs in Irland sagte er zwar, er sei "besorgt, dass es passiert ist". Ihm sei jedoch "derzeit nichts bekannt, das schwerwiegende Folgen hat". In den Unterlagen seien keine Informationen enthalten, die große Konsequenzen hätten, so Biden weiter.
Der US-Präsident betonte, es laufe eine umfassende Untersuchung vonseiten der Geheimdienste und des Justizministeriums zu den Hintergründen des Datenlecks. Und er versicherte: "Sie kommen der Sache näher."
Die US-Regierung sieht die sozialen Medien in der Pflicht, die Verbreitung gestohlener Geheimdokumente zu unterbinden. Das sagte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, in Dublin. Die Unternehmen sollten "die Verbreitung von Material vermeiden, das der öffentlichen und nationalen Sicherheit schadet".