Zahlreiche Menschen drängen sich an Deck des später gesunkenen Fischerbootes.

Hunderte Flüchtlinge ertrunken Gericht sieht sich nicht zuständig für Bootsunglück

Stand: 21.05.2024 16:24 Uhr

Nach einem schweren Bootsunglück im Mittelmeer, bei dem Hunderte Flüchtlinge starben, stockt die juristische Aufarbeitung. Ein griechisches Gericht hat nun Anklagen gegen die mutmaßlichen Schlepper fallengelassen - es sei nicht zuständig.

In dem Prozess um eines der schwersten Schiffsunglücke im Mittelmeer sind die Vorwürfe gegen neun Angeklagte fallengelassen worden. Das Gericht in Griechenland erklärte sich für nicht zuständig, nachdem zwei Vertreter der griechischen Küstenwache ausgesagt hatten, das Unglück sei in internationalen Gewässern passiert.

Der überladene Trawler "Adriana" war im Juni vergangenen Jahres vor der griechischen Küste gesunken, nur 104 Menschen waren gerettet worden. Bis zu 600 Menschen sollen ums Leben gekommen sein.

Neun Ägypter, die das Unglück überlebt hatten, waren wegen fahrlässiger Tötung, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt. Die Männer hatten zuvor stets ihre Unschuld beteuert: Sie hätten selbst dafür bezahlt, auf dem rostigen Fischkutter von der libyschen Hafenstadt Tobruk aus in Richtung Europa in See zu stechen. Die 21- und 37-Jährigen saßen elf Monate lang in Untersuchungshaft. Im Falle einer Verurteilung hätte ihnen eine lebenslange Haftstrafe gedroht.

Griechisches Gericht lässt Anklage gegen mutmassliche Schleuser fallen

Rüdiger Krohnthaler, ARD Rom, zzt. Kalama, tagesthemen, 21.05.2024 22:15 Uhr

Angeklagte waren als Schleuser identifiziert worden

Die Angeklagten waren laut Küstenwache und Staatsanwaltschaft von anderen Überlebenden des Unglücks anhand von Fotos als Schleuser identifiziert worden. Sie sollen das Boot gesteuert und teils mit Gewalt für Ruhe und Ordnung an Bord gesorgt haben. Nach Angaben von Überlebenden waren die meisten Migranten unter Deck eingesperrt und konnten sich nicht rechtzeitig befreien. Das Meer an der Unglücksstelle ist rund 5000 Meter tief.

Kritik gab es nach dem Unglück auch an der griechischen Küstenwache, der vorgeworfen wurde, das Boot nicht in Sicherheit gebracht zu haben. Die Beamten gaben an, mehrfach Hilfe angeboten zu haben, die aber von der Crew abgelehnt worden sei mit dem Hinweis, man wolle nach Italien, nicht nach Griechenland.

Offene Fragen zum Einsatz der Küstenwache

Mit Zwang hätten die Wasserpolizisten das Boot nicht ins Schlepptau nehmen wollen, hieß es - aus Angst, dass an Bord des völlig überfüllten Kutters Panik ausbrechen könnte. Manchen Zeugen zufolge nahm die Küstenwache das Boot dennoch ins Schlepptau, woraufhin tatsächlich Panik ausgebrochen und der Kutter gekippt sei. Die griechischen Behörden bestreiten die Vorwürfe.

In dem Fall gibt es weiterhin viele offene Fragen, Ermittlungen zum Agieren der griechischen Behörden dauern an.  Die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die NGO Alarm Phone hatten den griechischen Behörden gemeldet, dass sich die "Adriana" in der griechischen Such- und Rettungszone befand.

Anwälte: Unsere Mandaten zu Sündenböcken gemacht

Anwälte der angeklagten Männer erklärten, ihre Mandanten seien zu Sündenböcken gemacht worden, um vom Fehlverhalten der griechischen Küstenwache abzulenken, die es versäumt habe, nach dem Unglück eine wirksame Rettungsaktion einzuleiten.

Ihre Mandanten seien außerdem keine 24 Stunden nach dem Untergang des Schiffes und auf der Grundlage von nur neun Zeugenaussagen festgenommen worden, von denen einige nicht richtig übersetzt worden seien. Nach Darstellung der Anwälte gaben einige Überlebende an, von der griechischen Polizei unter Druck gesetzt worden zu sein, die Verdächtigen auf unscharfen Fotos zu identifizieren. 

Christina Schmitt, ARD Athen, zu griechisches Gericht lässt Anklage gegen mutmassliche Schleuser fallen

tagesschau24, 21.05.2024 15:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 21. Mai 2024 um 15:00 Uhr.