Vorläufiger Kompromiss für EU-Grundlagenverträge Die politischen Probleme bleiben
Im Streit um eine neue rechtliche Grundlage für die Europäische Union haben sich Juristen der 27 EU-Staaten auf die Textentwürfe für die Reformverträge geeinigt. Der politische Streit ist damit allerdings noch nicht beendet. Die portugiesische Ratspräsidentschaft räumte ein, dass ein zentraler politischer Streit mit Polen noch nicht beigelegt worden sei.
Von Peter Heilbrunner, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Schön zu lesen wird er nicht sein, der neue EU-Grundlagenvertrag - aber dass die mit ihm einhergehenden Reformen immer wahrscheinlicher werden, ist nach den Querelen der vergangenen Monate an sich fast ein Wunder. Auf Expertenebene haben sich die EU-Staaten nun darauf geeinigt, wie das Papier auszusehen hat, in dem die neuen Spielregeln für Europa definiert werden.
Ein wichtiger Schritt, sagen Brüsseler Beobachter, auch wenn noch genügend Fallstricke lauern, bis der Reformvertrag endgültig in Kraft treten kann. Bereits beim Juni-Gipfel hatten sich die Staats- und Regierungschefs unter Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Eckpunkte der Modernisierung geeinigt - doch bereits wenige Tage später wurde der Kompromiss wieder in Frage gestellt. Portugals Regierungschefs Jose Sokrates, er hatte den EU-Vorsitz gerade von Merkel übernommen, sah sich zu einer harschen Reaktion genötigt. Änderungswünsche können nicht mehr berücksichtigt werden, erklärte der portugiesische Ministerpräsident sinngemäß.
Konflikt mit Polen nicht gelöst, nur vertagt
Die Portugiesen sind dieser Linie treu geblieben - und so orientiert sich der Text des vorläufigen Vertrages eng an dem Kompromiss vom Juni. Das heißt aber auch: Der politische Streit mit Polen ist noch nicht entschieden. Warschau hat ein Sonderrecht eingefordert, um mißliebige Entscheidungen verzögern zu können. Da dieses Extrawurst nicht Bestandteil der Juni-Einigung war, musste sie von den Experten auch nicht gelöst werden - die Auseinandersetzung wird folglich beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in wenigen Wochen geführt werden müssen. Aufgang offen - zumal nur wenige Tage später die Wahlen in Polen auf dem Programm stehen. Mit schrillen Tönen der amtierenden national-konservativen Regierung muss also gerechnet werden.
Geht Mitte des Monats beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs alles glatt, dann stünde die 27er-Gemeinschaft vor einer ihrer einschneidensten Reformen. Die EU würde schneller, weil Mehrheitsentscheidungen auf mehr Politikbereiche ausgedehnt werden könnten. Vetorechte würden im Gegenzug eingeschränkt. Daneben soll die EU eine Art Grundgesetz bekommen, die Charta der Grundrechte. Das Europaparlament würde ebenso gestärkt wie die gemeinsame Außenpolitik durch eine Art EU-Außenminister.
Noch viele Fallstricke
Doch noch ist es nicht soweit. Denn das letzte Wort haben die nationalen Parlamente - sie müssen den Vertrag ebenso wie die Staats- und Regierungschefs billigen. Letzte Unbekannte: Die Bevölkerung, zumindest dort, wo sie in Volksabstimmungen gefragt werden muss. Franzosen und Holländer hatten ja schon einmal nein gesagt zur EU-Verfassung. Wenn nun, im zweiten Anlauf alles glatt läuft, dann hätte Europa die Kurve doch gerade noch gekriegt.