Kim-Trump-Gipfel Knackpunkt Denuklearisierung
Ein Treffen zwischen Nordkorea und den USA scheint wieder greifbar. Ein Knackpunkt ist das Thema "Denuklearisierung", denn Kim und Trump verstehen darunter nicht das Gleiche, erklärt ARD-Korrespondent Klaus Scherer.
tagesschau.de: Nach der zwischenzeitlichen Absage des US-Präsidenten scheinen alle Seiten wieder bemüht, Zuversicht zu verbreiten, dass das direkte Treffen von Donald Trump und Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un am 12. Juni in Singapur zustande kommt und ein Erfolg wird. Was passiert jetzt hinter den Kulissen?
Klaus Scherer: Es ist bestätigt, dass derzeit zwei US-Teams unter Hochdruck das Treffen vorbereiten. Eines, das im innerkoreanischen Grenzort Panmunjom mit den Nordkoreanern Inhalte abklopft. Und das zweite in Singapur, um die Logistik des Treffens voranzutreiben. Ob sie in der kurzen Zeit weit genug kommen, um zu gewährleisten, dass vor allem Trump hinterher von einem historischen Durchbruch sprechen kann, ist offen. Für ein weitreichendes Abkommen müssten eigentlich noch Südkorea und China ins Boot.
Fernsehbilder einer startenden nordkoreanischen Rakete.
Das Panmunjom-Team ist aber immerhin schon mit erfahrenen Akteuren besetzt, von US-Seite wie von Seiten Nordkoreas, die schon 2005 über das verhandelten, was man Denuklearisierung nennt - damals noch im Rahmen der sogenannten Sechser-Gespräche, einschließlich Südkorea, China, Japan und Russland. Bekanntlich scheiterten die. Deshalb muss ja jetzt wieder von vorne anfangen.
tagesschau.de: Die Formel der vollständigen Denuklearisierung schwebt nun wieder über allem. Ist denn geklärt, dass beide Seiten auch das Gleiche damit meinen?
Scherer: Überhaupt nicht, deshalb strapaziert man das Etikett ja nach außen so sehr, um die Differenzen zu überkleben. Das hält aber nicht mehr, wenn es ans Eingemachte geht, sprich: an die konkreten Abrüstungsschritte und die Gegenleistungen dafür. Trumps Position - und auch die seines Sicherheitsberaters John Bolton - wonach es bei maximalem Druck auf Nordkorea bleiben müsse (also keine Lockerung der Sanktionen, bevor Kim sein komplettes Arsenal aufgegeben habe), gilt nicht als sehr realistisch. Warum sollte Kim das tun? Alle Erfahrung spricht dafür, dass er nur Abrüstungsschritte macht, wenn er dafür etwas erwarten kann - und dass der Zeitplan danach Jahre umfasst. Das ist das sogenannte Phasen-Modell. Das wäre aber für Trumps Geschmack womöglich zu langwierig.
tagesschau.de: Was könnten denn solche Einzelschritte sein?
Scherer: Ein Szenario sieht vor, dass Kim kurzfristig einer Verschiffung von Atomsprengköpfen und Langstreckenraketen zustimmt, die mutmaßlich US-Festland erreichen können. US-Quellen sprechen von 20 Sprengköpfen. Bolton würde sie am liebsten in eine Atomanlage im US-Bundesstaat nach Tennessee bringen lassen. Auch hier gilt als realistischer, dass Kim allenfalls eine kleine Anzahl von Waffen abgibt - als erneute Geste des Vertrauens. Aber selbst dann ließen sich daraus Bauart und Funktionsweise erkennen. Das wären wichtige Daten für die USA - wenn es denn tatsächlich die neuesten Raketen und Sprengköpfe wären.
tagesschau.de: Welche Art Sicherheitsgarantien könnten denn Kim überhaupt dazu bringen, sein Atomarsenal vollständig aufzugeben?
Scherer: Das ist die große Frage. Selbst bei einem historischen Deal könnte Kim schon nach dem Verfallsdatum schauen, sobald er sich wieder an Trumps Umgang mit dem Iran-Deal erinnert. Andererseits: Er hat sicherlich Interesse, sein Land mit Wirtschaftshilfe aus den USA, Südkorea und Japan in eine Modernisierung zu führen. Das hat er seiner neuen, gepäppelten Mittelschicht versprochen und konnte es bisher nicht liefern. Dafür muss auch er dem Westen genug anbieten.
tagesschau.de: Eine maßgebliche Rolle spielte bisher auch Südkoreas Präsident Moon, vor allem als Moderator oder gar Schlichter. Wird er nicht sehr fehlen, wenn es in Singapur zur Sache geht?
Scherer: Er hat schon streuen lassen, dass er bereit sei, sobald wie möglich nach Singapur zu reisen, um aus dem Zweier- einen Dreiergipfel zu machen. Und er hält ja bis zum 12. Juni weiter auffallend Tuchfühlung zum Norden. Der Frage, was denn genau mit kompletter Denuklearisierung gemeint sei, ist aber auch er nach seinem letzten Gespräch mit Kim ausgewichen. Darauf müssten sich Washington und Pjöngjang selbst einigen, sagte er vor der Presse. Und wenn man noch bedenkt, dass die ganze Formel ja stets lautet "Denuklearisierung-der-Halbinsel" - also nicht allein des Nordens - wird es ja irgendwann auch wieder um die Präsenz der US-Truppen im Süden gehen, um die gemeinsamen Manöver und um den nuklearen Schutzschirm der USA über Südkorea und Japan. Dann wird es richtig knackig.