Nach dem Tod des Hisbollah-Chefs Warum sich der Iran wahrscheinlich zurückhalten wird
Obwohl immer wieder laute Drohungen aus Teheran kommen, geht der Iran bislang einer direkten Konfrontation mit Israel aus dem Weg. Warum? Das liegt vor allem an der eigenen Schwäche
Als Anfang Januar 2020 Kassem Soleimani, der Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden im Irak, bei einem von den USA durchgeführten Anschlag auf dem Flughafen in Bagdad ums Leben kam, nannte dies der geistige Führer des Iran, Ayatollah Khamenei, eine Kriegserklärung und schwor massive Vergeltung. Was folgte, war ein iranischer Luftangriff auf die irakische Al-Asad-Airbase sowie auf den von Amerikanern genutzten Militärstützpunkt Erbil im Nordirak. Es gab überwiegend Sachschäden. Getötet wurde niemand.
Laute Ankündigungen - geringe Konsequenzen
Als Israel in Folge des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktober 2023 massiv den Gazastreifen bombardierte und die Opferzahlen unter den Palästinensern immer höher kletterten, drohte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, wenn Israel seine Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung des Gazastreifens fortsetzen sollte, könne niemand garantieren, dass sich der Konflikt nicht doch ausweite - mit anderen Worten: dass womöglich auch der Iran in die kriegerische Auseinandersetzung eingreife.
Statt einer wie auch immer gearteten Mobilisierung des iranischen Militärs, meldete im März 2024 die Nachrichtenagentur Reuters, die libanesische Hisbollah habe nach einem Austausch mit Teheran erklärt, sie werde alleine gegen Israel kämpfen - der Iran werde also nicht in die Gefechte eingreifen.
Erst als am 1. April bei einem gezielten Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus sieben Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden starben, ließ Khamenei Raketen auf Israel abfeuern. Allerdings kündigte Teheran diesen Angriff dezidiert an und informierte dabei sogar die Regierung in Washington. Schon wenige Stunden nach dem Angriff, den Israel zum ganz großen Teil abfing, sprach der Iran davon, die Sache könne "als abgeschlossen betrachtet werden". Kaum ein Wort war zu hören, inwieweit die Aktion auch erfolgreich war.
Zurückhaltung trotz tiefer Demütigung
Auch als am 31. Juli 2024 Ismail Hanija, der Führer der terroristischen Hamas, bei einem Besuch in Teheran durch ein dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad zugeschriebenes Attentat ermordet wurde, schwor die Islamische Republik laut Vergeltung. Ausgeführt wurde sie bislang noch nicht.
Offensichtlich wollen oder können die Mullahs ihren zahlreichen deutlichen Ankündigungen keine entsprechenden Taten folgen lassen. Somit dürfte zwar auch jetzt nach der Liquidierung Hassan Nasrallahs die Demütigung in Teheran groß sein. Ob Khamenei allerdings den Tod seines wichtigsten Gefolgsmanns militärische Antworten folgen lässt, ist alles andere als gewiss. Zumal seine Worte im Vergleich zu früheren Äußerungen eher zurückhaltend klangen, denn er erklärte, die "zionistischen Verbrecher" seien "viel zu unbedeutend, um der starken Struktur der Hisbollah im Libanon schweren Schaden zufügen zu können".
Kaum Rückhalt in der eigenen Bevölkerung
Dass sich die Mullahs mit militärischen Aktionen zurückhalten, dürfte vor allem zwei Gründe haben. Zum einen fehlt ihnen die Rückendeckung der eigenen Bevölkerung. Denn die Mehrheit der Iraner wünscht sich ein Ende der Islamischen Republik und beklagt sich darüber, dass immense Summen in die Unterstützung ihrer Verbündeten gesteckt wird, während ein großer Teil der Menschen im eigenen Land unter der Armutsgrenze lebt. Bereits seit Jahren bekommt deshalb das Regime von Teilen der iranischen Öffentlichkeit auf Demonstrationen zu hören: "Weder Gaza noch Libanon. Ich opfere mein Leben für den Iran!"
Zum anderen muss der Iran bei einem Angriff auf Israel mit heftigen Gegenschlägen rechnen, die das islamistische Regime in Teheran eher schwächen als stärken würden.
Nicht nur, dass Israel militärisch versierter und überlegener sein dürfte. Selbst wenn es keine Angriffe auf Wohngebiete gebe, sondern lediglich auf die Elektrizitäts- und Wasserversorgung, müssten die Mullahs damit rechnen, dass ein Teil der dann unterversorgten Bevölkerung einmal mehr auf die Straße gehen und rebellieren dürfte. Ganz abgesehen davon, dass Israel wohl auch die - teils unterirdischen - Atomanlagen ins Visier nähme und dabei auch bunkerbrechende Bomben einsetzen könnte wie beim Angriff auf das Hisbollah-Hauptquartier.
So gesehen dürften sich Ayatollah Khamenei und seine Anhänger genau überlegen, wie sie auf den Tod von Hassan Nasrallah antworten und ob sie in die militärische Konfrontation mit Israel gehen wollen.