Beitritt zur Europäischen Union Aus Kroatien Impulse für ganz Europa?
Dass Kroatien EU-Mitglied wird, stößt nicht überall auf Begeisterung. Kritiker halten das Land wirtschaftlich noch nicht für fit genug. Nach Ansicht vieler Kroaten profitieren aber auch die anderen EU-Staaten - insbesondere Deutschland - von dem Beitritt.
Ist Kroatien reif für den EU-Beitritt, oder ist es das nächste Sorgenkind? Zahlt der deutsche Steuerzahler am Ende wieder drauf? Wer in Zagreb solche Fragen stellt, erntet ungläubige Blicke.
Sandra Svlajek, eine der führenden Wirtschaftswissenschaftlerinnen des Landes, ist empört: "Die jetzigen EU-Länder können vom Beitritt viel mehr profitieren als Kroatien selbst", sagt sie und nennt ein Beispiel. "Kroatien muss europäische Umweltstandards erfüllen. Das erfordert große Investitionen, etwa im Bereich von Abwässern und Kläranlagen. Uns fehlt die entsprechende Technologie."
Dies bedeutet nach ihren Worten, dass das Land auf andere EU-Länder - etwa deutsche und andere Unternehmen - angewiesen ist, "die uns hier versorgen und hier Geld verdienen können. Die EU wird sicher von diesem Erweiterungsschritt profitieren."
Seit fünf Jahren kein Wachstum
Svaljek gibt zu, dass auch Kroatien in der Krise steckt. Seit fünf Jahren gibt es kein Wachstum mehr, die Arbeitslosigkeit liegt bei 20 Prozent. Doch die Reformen seien auf gutem Weg, meint auch Andrej Plenkovic, der künftig für die konservative Partei HDZ im EU-Parlament sitzt: "Nach 20 Jahren eines langen Reformprozesses kommen wir als stabiles Land in die EU, mit ziemlich gut ausgebildeten Arbeitskräften. Und wir sind ein mediterranes Land. Die wunderbare Adriaküste ist nicht nur für Touristen, sie ist auch kulturell ein Wert, den wir einbringen."
Es gibt auch skeptische Stimmen, wie die des Korruptionsexperten Zorislav Petrovic. Er leitet das Büro von Transparency International in Zagreb und sagt, Kroatien habe in der Korruptionsbekämpfung Fortschritte gemacht; aber Deutschland und die EU müssten auch nach dem Beitritt weiter Druck machen: "Die EU muss weiter in irgendeiner Weise die Entwicklung beobachten und von kroatischen Behörden verlangen, dass sie mit Systemverbesserungen fortfahren. Wenn das nicht geschieht, fürchte ich, dass es nicht nur zur Verlangsamung des Reformtempos kommt." Im schlimmsten Fall könnte es sogar zu Rückschritten kommen.
"Ein vereintes Europa ist gut für die Bürger"
In einem Café im Zentrum von Zagreb sitzen Studenten, die man als Teil der kroatischen Elite von morgen bezeichnen kann. Ivana Kordic steht kurz vor dem Jura-Examen, ist auf EU-Recht spezialisiert und hat schon europäische Debattenwettbewerbe gewonnen: "Ich glaube grundsätzlich daran, dass ein vereintes Europa gut für die Bürger ist."
Aber was Kroatien daraus mache, müsse sich erst zeigen. "Da wir aus dem ehemaligen Jugoslawien kommen - Stichwort Kriegsvergangenheit - wissen wir, wie sehr etwas schief gehen kann. Das heißt, wir wollen in die EU auch die Lektionen aus unserer jüngeren Geschichte einbringen."
Kroatien hat den EU-Beitritt geschafft; das sporne auch Nachbarländer wie Serbien an, pflichtet Ivan Zrinski bei. Er meint auf die Frage, was Kroatien der EU geben kann: "Kroaten wollen lernen, studieren, arbeiten, aber sie brauchen ein wenig Anschub von außen - und ich hoffe, das wird passieren."