Bundeswehr in Mali "Die Sicherheitslage ist katastrophal"
In Mali regiert das Militär. Der Armee wird ein Massaker an Zivilisten vorgeworfen, Wahlen sind nicht in Sicht. Soll die Bundeswehr unter diesen Bedingungen bleiben oder gehen?
Für Mali war es 2013 ein Zeichen der Hoffnung. Frankreichs Streitkräfte hatten ein Bündnis radikaler Islamisten daran gehindert, auf die Hauptstadt Bamako zu marschieren. Gemeinsam mit tschadischen und malischen Soldaten vertrieben sie die Extremisten aus den Städten im Norden.
Damit der westafrikanische Staat mit seinen 20 Millionen Einwohnern nicht erneut in die Hände der Islamisten fällt, richteten die Europäer eine Trainingsmission für die malischen Truppen ein. Im Norden sollte eine bis zu 13.000 Mann starke UN-Einheit für Stabilität sorgen. Es gab Wahlen. Es gab Hoffnung.
Und heute? Der oppositionelle Tuareg-Politiker Mohamed Almaouloud Ramadan klingt sehr besorgt:
Die Sicherheitslage ist katastrophal und nicht stabil. Dauernd gibt es Angriffe, und das große Problem ist, dass die Bevölkerung unter den Akteuren in den betroffenen Gebieten leidet. Man spricht von sehr schweren Menschenrechtsverletzungen und Übergriffen auf die Zivilisten im Zentrum und im Westen des Landes.
Bericht über Massaker durch Regierungstruppen
Zuletzt sollen in Moura in Zentralmali Hunderte Menschen von Regierungssoldaten umgebracht worden sein. Die Regierung gab an, es habe sich bei den Toten um 200 islamistische Kämpfer gehandelt. Die Tageszeitung "Libération" prangerte dagegen ein tagelanges Massaker an, eines der schlimmsten seit Langem, sagen Menschenrechtler.
Malis Regierung hat eine Untersuchung angekündigt. UN-Generalsekretär António Guterres forderte die malischen Truppen und ihre bilateralen Partner zur Achtung der Menschenrechte auf. Mit "bilateralen Partnern" war die Gruppe Wagner gemeint, Russlands berüchtigte Söldnereinheit. Es gibt Hinweise, dass bei dem mutmaßlichen Massaker in Moura russische Söldner vor Ort waren.
Mali setzt auf Russland
Malis Verteidigungsminister Sadio Camara, selbst ein Militär, nahm jüngst zwei Hubschrauber aus Russland in Empfang. Er spricht von seinen osteuropäischen Verbündeten in Worten, die vor wenigen Jahren noch dem einstigen Retter Frankreich vorbehalten waren: "Sie sind immer an der Seite des malischen Volkes. Das sind die Früchte einer Partnerschaft mit einem wirklichen Freund Malis: Russland."
Viele Menschen in Bamako sehen daran nichts Verwerfliches. Viele - so wie dieser junge Lehrer - wissen auch gar nicht mit Sicherheit, dass russische Söldner im Land sind. Ihm, sagt Moussa Touré, sei nur wichtig, dass sich die Lage verbessere:
Ich finde die Sicherheitslage des Landes zufriedenstellend. Wir sehen seit dieser Woche, dass die malischen Truppen ihre Stärke wiedergefunden haben. Ich bin optimistisch, dass sich die Lage stabilisiert.
Sollen deutsche Blauhelm-Soldaten im Land bleiben?
Propaganda und Wirklichkeit zu unterscheiden ist auch für die Malier selbst nicht einfach. Der einstigen Kolonialmacht Frankreich weinen jedoch die wenigsten eine Träne nach. Nach zwei Militärputschen und der Verpflichtung russischer Söldner durch Malis Junta hat Frankreich das baldige Ende seiner Militärmission in Mail angekündigt.
Die EU hatte jüngst angekündigt, die praktische Ausbildung von Sicherheitskräften im Rahmen der Trainingsmission EUTM zu stoppen. Es gebe keine ausreichenden Garantien der malischen Übergangsregierung, dass es keine Einmischung der russischen Söldnerfirma Wagner gebe, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Nigerianische Blauhelme in Timbuktu. Auch die Bundeswehr unterstützt den Einsatz der UN-Truppen mit mehr als 1000 Soldaten.
Und was macht Deutschland? Derzeit sind noch rund 1100 deutsche Soldatinnen und Soldaten bei der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA im Einsatz. Richard Moncrieff ist der Sahelexperte der International Crisis Group, die auch Regierungen berät. Er hält einen Einsatz der Bundeswehr-Blauhelme in Mali für sinnvoll. "Ich finde, sie sollten bleiben. Zum Teil, weil die UN sie brauchen." Die UN seien sehr wichtig in Mali, insbesondere für Wahlen, die zu einer zivilen Regierung führen sollen, sagt er.
Die Rolle der Deutschen wird von den Vereinten Nationen sehr geschätzt, aber auch von der Bevölkerung und von malischen Offizieren. Die Position der Crisis Group ist, dass Deutschland sich von den UN nicht zurückziehen sollte, trotz der schwierigen Lage.
Es ist keine leichte Entscheidung für die Bundesregierung. Der Blauhelmeinsatz in Mali ist schon heute der gefährlichste weltweit. Mehr als 170 Angehörige kamen dabei bereits ums Leben, darunter unfallbedingt zwei deutsche Piloten. Klar ist auch: Ohne Frankreichs erfahrene Truppen wird die Aufgabe, in Mali für Stabilität zu sorgen, kaum einfacher.