Nachfolge von May Viele wollen in die Downing Street 10
Die britische Premierministerin May hat nach knapp drei Jahren ihr Amt als Parteichefin der Konservativen aufgegeben. Fast ein Dutzend Nachfolger stehen bereit: die Kandidaten im Überblick.
Boris Johnson
Von Beginn an stand der heute 54-Jährige an der Spitze der Brexit-Befürworter - und kann sich daher des Rückhalts der Hardliner unter den Konservativen relativ gewiss sein. Auch sein Streben, selbst in die Downing Street Nummer 10 einzuziehen, ist keine Überraschung.
Politische Erfahrung bringt Johnson genug mit: Nach seiner Ausbildung im Internat Eton und dem Studium in Oxford arbeitete er zunächst als Journalist, unter anderem für den "Daily Telegraph".
2008 wurde Johnson dann zum Bürgermeister von London gewählt, acht Jahre lang behielt er das Amt inne. Anschließend wurde er in Mays erstem Kabinett Außenminister. Seinen Posten gab er schließlich auf - aus Protest gegen Mays Brexit-Kurs.
Als Politiker zeichnete Johnson sich unter anderem durch seine Direktheit aus, teils mit Hieben unter der Gürtellinie. Hillary Clinton etwa betitelte er einst als "sadistische Krankenschwester", dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan dichtete er Sex mit einer Ziege an.
Doch trotz aller Fehltritte - für die Tories könnte Johnson der Favorit sein, der vergraulte und enttäusche Brexit-Wähler am ehesten wieder an die Partei binden könnte.
Boris Johnson hat sowohl als Bürgermeitser Londons als auch als Außenminister selten ein Blatt vor den Mund genommen.
Dominic Raab
Er saß selbst in Brüssel mit am Verhandlungstisch, bis Raab im November 2018 aus Protest gegen den vereinbarten Deal zwischen May und der EU vom Posten als Brexit-Minister zurücktrat.
Auch Raab kassierte auf dem Ministerposten das ein oder andere Fettnäpfchen - etwa Spott für die Aussage, er habe nicht gewusst, wie wichtig der Ärmelkanal für den Handel zwischen Großbritannien und dem europäischen Kontinent sei.
Wie auch Boris Johnson gilt Raab als überzeugter Brexit-Anhänger, im Falle seiner Wahl zum Premier erscheint auch ein No-Deal-Brexit als wahrscheinliches Szenario.
Aus Protest gegen Mays Deal mit der EU war Dominic Raab als Brexit-Minister zurückgetreten.
Jeremy Hunt
Einst ein Brexit-Gegner, steht der 52-Jährige heute hinter dem EU-Austritt. Einige munkeln, die Kehrtwende habe nur dafür gedient, irgendwann den Hut für das Amt als Premier in den Ring werfen zu können.
Nach fast sechs Jahren als Gesundheitsminister folgte er 2018 Boris Johnson auf den Posten des Außenministers.
Hunt kommt aus wohlhabendem Hause, besuchte eine angesehene Schule und studierte in Oxford - eine typisch britische Politiker-Karriere. Der verheiratete Vater eines Sohnes und zweier Töchter sitzt seit 2005 als Konservativer im britischen Unterhaus.
Als Außenminister musste Hunt bereits einiges an Kritik einstecken. Es gelang ihm, die europäischen Verbündeten mit ähnlich provokativen Stellungnahmen gegen sich aufzubringen wie sein Vorgänger Boris Johnson. Bei einer Parteitagsrede verglich er die EU mit der Sowjetunion. Vor allem aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten handelte er sich damit wütende Reaktionen ein.
Hunt kann auf Unterstützung aus den USA zählen: Trump sagte bei seinem Großbritannien-Besuch, Hunt würde als britischer Regierungschef "sehr gute Arbeit" machen.
Erst gegen, dann für den Brexit: Jeremy Hunt.
Michael Gove
Er hatte schon einmal versucht, Premier zu werden - 2016, nach dem Rücktritt von David Cameron. Damals kam ihm May in die Quere.
Unter Cameron war Gove jahrelang Bildungsminister, bis der damalige Premier seinen engen Vertrauten und Paten des eigenen Sohnes vom Amt abziehen musste. Im Streit um höhere Pensionen hatte sich Gove zum Buhmann der Lehrerschaft gemacht, bis er schließlich für das Bildungsressort nicht mehr tragbar schien.
2016 dann der nächste Schlag für Cameron: Gove stellte sich konträr zum Kurs des langjährigen Freundes und an die Seite von Boris Johnson im Werben um den EU-Austritt.
May machte Gove im Juni 2017 zum Umweltminister, wo er mit einer Reihe umweltfreundlicher Ankündigungen in den Schlagzeilen blieb. Gove gilt als bestens vernetzt, nicht nur im britischen Parlament, sondern auch bei den Mächtigen in der Welt der Medien.
Für Michael Gove ist es nicht der erste Versuch, Premierminister zu werden.
Sajid Javid
Beruflich ging es für heute 49-Jährigen erst einmal in die Wirtschaft, als Manager der Deutschen Bank. Seit 2010 sitzt er im britischen Unterhaus, 2014 folgte der Posten als Kulturminister. Im vergangenen Jahr ernannte ihn May schließlich zum Innenminister.
Damit war Javid der erste Politiker mit muslimischen Hintergrund, der es unter die Top 4 der politischen Ämter Großbritanniens schaffte: Premier, Schatzkanzler, Außen- und Innenminister.
Im Innenministerium erlangte Javid einen harten Ruf, vor allem in der politischen Debatte um eine Britin, die die Frau eines IS-Anhängers wurde. Javid entschied, der schwangeren Frau die Staatsbürgerschaft zu entziehen und damit die Rückkehr zu verweigern. Als das neugeborene Kind daraufhin starb, während die Mutter sich in einem syrischen Flüchtlingslager aufhielt, geriet Javid für seine Entscheidung in massive Kritik.
Javid gehört dem wirtschaftsliberalen Flügel der Konservativen an und stimmte 2016 für einen Verbleib seines Landes in der EU. Nach dem Ausgang des Referendums unterstützte er aber den Brexit-Kurs.
Sajid Javid schaffte es als erster Politiker mit muslimischem Hintergrund unter die Top 4 der britischen Politik.
Andrea Leadsom
Erst am Mittwochabend hatte Leadsom ihren Rücktritt als Vorsitzende des Unterhauses und Zuständige für Parlamentsfragen bekannt gegeben - und damit eventuell Mays Entscheidung für den eigenen Rückzug beschleunigt.
Auch Leadsom hatte bereits 2016 versucht, sich im Kampf um das Amt des Premiers durchzusetzen. May selbst hatte sie daraufhin in ihr Kabinett geholt: zunächst als Umweltministerin, anschließend als als "Leader of the House of Commons".
Auch Leadsom gilt seit Beginn als entschiedene Brexit-Befürworterin.
Erst Rücktritt - nun Kandidatur: Andrea Leadsom.
Rory Stewart
Er gilt im Rennen um Mays Nachfolge als äußerst kompetent, bleibt nach Einschätzung britischer Medien allerdings ein Außenseiter: Entwicklungshilfeminister Rory Stewart, der ein bisschen Ähnlichkeit mit Rocksänger Mick Jagger in jungen Jahren hat, ist ein EU-Anhänger. Er akzeptiert jedoch das Ergebnis des Brexit-Referendums. Einen ungeregelten Austritt aus der EU lehnt Stewart kategorisch ab und will mit Bürgerbeteiligung einen Brexit-Kompromiss ausarbeiten.
Sollte er Premierminister werden, möchte er den Klimaschutz verstärken. Stewart verfasste mehrere Bücher, unterrichtete privat die Prinzen William und Harry, spricht mehrere Sprachen und arbeitete auch als Diplomat.
Rory Stewart will sich im Fall seiner Wahl besonders für den Klimaschutz einsetzen.
Matt Hancock
Gesundheitsminister Matt Hancock warf seinen Hut am Tag nach Mays Rücktrittsankündigung in den Ring. "Wir brauchen einen Anführer für die Zukunft", schrieb Hancock damals bei Twitter. Er kündigte an, beim Brexit "liefern" zu wollen. Dann müsse das Land auch bei anderen Dingen "vorankommen" und sich eine "strahlende Zukunft" aufbauen. Hancock lehnt einen Brexit ohne Deal ab.
Ihm werden im Rennen um die Nachfolge von May allerdings wenig Chancen eingeräumt. Er selbst hebt in Interviews seine Energie und Durchsetzungskraft hervor.
"Wir brauchen einen Anführer für die Zukunft", sagt Matt Hancock
Sam Gyimah
Der frühere Hochschul-Staatssekretär Sam Gyimah setzt sich als einziger des Bewerberfeldes für ein zweites Brexit-Referendum ein. Der frühere Investmentbanker zog 2010 ins Parlament ein und wurde von May im Januar 2018 ins Kabinett geholt. Aus Protest gegen das von ihr ausgehandelte Brexit-Abkommen trat er aber nur zehn Monate später von seinem Amt zurück.
Im Rennen um den Parteivorsitz der Tories gilt der 42-Jährige als chancenlos.
Sam Gyimah setzt sich als einziger des Bewerberfeldes für ein zweites Brexit-Referendum ein.
Esther McVey
Aus Protest gegen Mays Brexit-Kurs legte Esther McVey ihr Amt als Arbeitsministerin im November nieder. Sie besteht darauf, dass Großbritannien am 31. Oktober die EU verlassen muss. Sie nimmt dafür in Kauf, dieses Ziel auch mit einem ungeregelten Austritt zu erreichen. In Interviews machte sie deutlich, dass sie weitere Debatte über mögliche Neuverhandlungen der Backstop-Regelung für Zeitverschwendung hält.
Esther McVey hält weitere Debatten über eine Nachverhandlung der Backstop-Regelung für Zeitverschwendung.
Mark Harper
Obwohl er ein EU-Freund ist, akzeptiert Mark Harper das Brexit-Referendum. Er selbst sieht sich im Rennen um Mays Nachfolge als Außenseiter. Harper wäre für eine kurze Verlängerung der Austrittsfrist über den 31. Oktober hinaus. Falls das nicht möglich sei, würde er auch einer Loslösung von der EU ohne Deal zustimmen.
Harper zog 2005 erstmals ins Parlament ein und übernahm in den folgenden Jahren verschiedene Funktionen in der Regierung.
Mark Harper ist eigentlich für den EU-Verbleib, will aber das Brexit-Referendum umsetzen.