EU-Gipfel Merkel will Hilfen an Türkei kürzen
Nach dem Willen von Kanzlerin Merkel sollten die EU-Hilfen an die Türkei gekürzt werden. Beim Abendessen anlässlich des EU-Gipfels besprach sie mit den Staats- und Regierungschefs ihren Vorschlag. In diesem Punkt könnte eine Rückendeckung für sie klappen, in einem anderen eher nicht.
Bisweilen wird ein EU-Gipfel-Fahrplan sogar von einem Fernsehduell beeinflusst: Im Rede-Wettstreit mit SPD-Kandidat Martin Schulz vor der Bundestagswahl sah sich Kanzlerin Angela Merkel beim Thema Türkei zeitweise in die Enge getrieben und versprach daraufhin, genau dieses Thema ihren EU-Kollegen aufzutischen. Womit dann feststand: Beim Gipfel würde der Tagesordnungspunkt Türkei beim Abendessen aufgerufen werden.
"Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Vor-Beitrittshilfen, die wir geben, eingeschränkt werden", sagte die Kanzlerin in Brüssel.
Diese angesprochenen Finanzhilfen darf man sich getrost als eine "Gehhilfe" für sämtliche EU-Beitrittskandidaten vorstellen, damit die Demokratien in diesen Staaten sozusagen laufen lernen. Was die Türkei betrifft, so ist aber aus Sicht Merkels festzustellen:
Die gesamte rechtsstaatliche Entwicklung bewegt sich in die falsche Richtung.
Daher wird nun innerhalb der EU darüber geredet, den Geldstrom einzudämmen und in die richtigen Bahnen zu lenken. Völlig stoppen können wird man die Zahlungen wohl kaum, solange die Türkei offizieller Beitrittskandidat ist.
Berlin befürwortet komplettes Auf-Eis-Legen
Viel interessanter als das, was Merkel zur Türkei sagte, war aber das, was sie nicht sagte: Seit dem TV-Duell ist nämlich Regierungslinie, dass man ein offizielles Auf-Eis-Legen der Beitrittsgespräche befürwortet. Doch in dieser Frage hat Berlin innerhalb der EU allenfalls eine Handvoll Mitstreiter. Zu wenig also. Weshalb Merkel diese Frage vor Journalisten auch gar nicht erst anschnitt.
Merkel steht fest zum Flüchtlingsabkommen mit Ankara
Dafür lobte sie Ankara für dessen Verhalten in der Flüchtlingspolitik. Hier sei die EU, so die Kanzlerin, mit dem EU-Türkei-Abkommen auch Verpflichtungen eingegangen. Auch hier geht es also ums Geld: "Indem wir zusätzlich zu den bereits gegebenen drei Milliarden noch einmal drei Milliarden für die nächsten Jahre versprochen haben. Und dieses Versprechen sollten wir auch einhalten, denn dieses Geld kommt den Flüchtlingen zugute."
Vorrangig geht es also bei der Türkei um Geld, das die EU nur ungern zahlt und solches, das sie aus Merkels Sicht bereitwillig zahlen sollte. Und es bleibt dabei: Die EU will nicht die Seite sein, die die Beitrittstür einseitig zuschlägt.
Brexit: May wünscht sich zügige Fortschritte
Die Geldfrage ist derzeit auch jene, die bislang spürbaren Fortschritt bei den Brexit-Verhandlungen der EU mit den Briten verhindert. Noch will London diesen - vielleicht einzigen - Verhandlungstrumpf nicht aus der Hand geben und lässt die EU-Seite im Unklaren darüber, bis zu welchem Umfang sie bereit ist, die Austrittsrechnung zu bezahlen. Trotzdem wünscht sich Premierministerin Theresa May zügige Fortschritte in den kommenden Wochen: "Ich will ganz dringend eine Einigung beim Thema Bürgerrechte erzielen."
Bei diesem Thema - den Rechten von EU-Bürgern auf der Insel und Briten auf dem EU-Festland - bescheinigen in der Tat auch EU-Vertreter den Verhandlern, kurz vor dem Ziel zu stehen. Ob das aber insgesamt reicht, um ab Dezember in Phase 2 der Verhandlungen, also Gespräche über ein Handelsabkommen, einzutreten, lässt die vorbereitete Gipfel-Abschlusserklärung offen.
Die EU jedenfalls, stellte der französische Staatspräsident Emmanuel Macron fest, sei sowohl in der Brexit-Frage als auch beim Streit zwischen Spanien und Katalonien geschlossen. Ob es bei dieser Geschlossenheit bleibt, wenn die strittigen Zukunftsfragen Migration oder Eurozone angegangen werden, ist eher zweifelhaft. Entscheidungen stehen hier aber erst im kommenden Jahr an.