Flucht über das Mittelmeer So viele Tote wie seit 2017 nicht mehr
Das Mittelmeer gilt als die gefährlichste Fluchtroute der Welt. Allein im ersten Quartal dieses Jahres starben den UN zufolge 441 Menschen bei der Überfahrt - ein neuer trauriger Höchstwert seit 2017.
Von Januar bis März 2023 starben so viele Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer wie seit sechs Jahren nicht mehr. Das geht aus einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) hervor. Laut der UN-Behörde wurden im ersten Quartal dieses Jahres 441 Tote registriert.
"Die menschliche Katastrophe, die sich im Mittelmeer ereignet, ist nicht hinnehmbar", sagte IOM-Generaldirektor Antonio Vitorino. Mehr als 20.000 Menschen seien seit 2014 auf der zentralen Mittelmeerroute ums Leben gekommen. Wie viele auf der Strecke tatsächlich sterben, ist unklar. Viele Leichen werden mutmaßlich nie geborgen.
IOM sieht Versäumnisse bei staatlicher Seenotrettung
Ein Grund für die hohen Opferzahlen seien verzögerte staatliche Rettungsaktionen, so die IOM. Ihr zufolge starben allein in diesem Jahr mindestens 127 Menschen bei sechs Schiffbrüchen unter anderem weil staatlich geleitete Rettungsaktionen verzögert waren. In einem siebten Fall, bei dem 73 Menschen ertranken, habe es überhaupt keine Reaktion gegeben.
Vitorino fordert "eine proaktive Koordination der EU-Staaten" bei der Suche und Rettung von in Seenot geratenen Migranten. Solche Einsätze hätten die EU-Staaten in den vergangenen Monaten stark zurückgefahren.
Mindestens zehn Tote vor Tunesien
Erst gestern hatte die tunesische Marine 76 Menschen aus Seenot gerettet und zehn Leichen geborgen. Den Behörden zufolge waren darunter neben Menschen aus Ländern südlich der Sahara auch viele Tunesier. Das nordafrikanische Land gilt inzwischen als wichtigstes Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Italien - noch vor dem Bürgerkriegsland Libyen.
Auf Mallorca und der balearischen Nachbarinsel Formentera kamen in der vergangenen Nacht sechs Boote mit insgesamt 134 Menschen an Bord an.
Italien hat Notstand ausgerufen
Die meisten Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen, landen Italien. Seit Beginn des Jahres registrierte das südeuropäische Land etwa 31.000. Die Regierung hat daher einen sechsmonatigen Notstand erklärt.
Das bedeutet, dass die Regierung Maßnahmen per Verordnung beschließen und so den meist langwierigen parlamentarischen Prozess für Finanzierungen und Regulierungen umgehen. Außerdem soll ein Sonderbeauftragter ernannt und zunächst mit fünf Millionen Euro für seine Arbeit ausgestattet werden.