Hintergrund

Hintergrund Die Muslimbruderschaft

Stand: 16.05.2015 12:42 Uhr

Ziel der Muslimbrüder ist ein Staat mit islamischer Rechtsprechung. In Ägypten war die Organisation lange verboten. Einfluss gewann sie auch wegen ihres sozialen Engagements. 2012 wurde ihr Vertreter Mursi zum Präsidenten gewählt - lange halten konnte er sich nicht.

Ursprüngliches Ziel der Muslimbruderschaft war eine Reform der Gesellschaft nach islamischen Moralvorstellungen. Sie wurde 1928 von dem ägyptischen Volksschullehrer Hassan al Banna (1906-1949) gegründet. Die ägyptischen Eliten in Politik und Wirtschaft galten den Muslimbrüdern als korrupt, dekadent und pro-westlich, die Geistlichen im Staatsdienst als unglaubwürdig. Erklärtes Ziel war daher die Errichtung eines islamischen Staates mit islamischer Rechtsprechung (Scharia).

Die Scharia
Die islamische Rechts- und Lebensordnung Scharia beruht auf dem Koran und Überlieferungen über die Lebenspraxis des Propheten Mohammed. Dadurch ist sie kein eindeutiges festgeschriebenes Werk, sondern es gelten vielmehr unterschiedliche Auslegungen, die auf verschiedene sunnitische und schiitische Rechtsschulen zurückzuführen sind. Im Westen wird die Scharia vor allem mit drakonischen körperlichen Strafen wie Auspeitschung oder Steinigung assoziiert.

Neben Rechtsfragen regelt die Scharia auch gesellschaftliche Verhaltensweisen und die Glaubenspraxis. Ursprünglich meint der arabische Begriff den Pfad in der Wüste, der zur Wasserquelle führt.

In Ägypten lange verboten

Auch heute fordern die Muslimbrüder das islamische Recht für Ägypten, sie bleiben bei den Details aber oftmals vage. Mitglieder sagen, eine große Bandbreite von Meinungen werde toleriert, allerdings eher alle konservativer Natur.

In ihren Anfängen traten die Muslimbrüder militant auf und wurden für mehrere Anschläge verantwortlich gemacht. Später schworen sie der Gewalt ab. In Ägypten blieben sie lange verboten und arbeiteten im Untergrund. Der Sturz von Langzeitpräsident Hosni Mubarak 2011 eröffnete den Muslimbrüdern jedoch neue Möglichkeiten. Im Juni 2012 gewann ihr Kandidat Mohammed Mursi die Präsidentenwahl.

Strenge Hierarchie

Die Muslimbrüder zählen Millionen Mitglieder und betreiben in der gesamten muslimischen Welt Ableger. Sie sind streng hierarchisch organisiert und legen einen Treueeid ab. Vorsitzender der Muslimbruderschaft ist Mohammed Badie, die Geschäfte werden vom Führungsbüro geleitet. Als mächtigster Mann gilt Badies Stellvertreter Chairat al Schater. Der wohlhabende Geschäftsmann war zunächst als Staatspräsident vorgesehen, wurde dann aber wegen einer früheren Haftstrafe von der Wahl ausgeschlossen. An seiner Stelle trat Mursi an.

Die Basis der Muslimbruderschaft bilden Islamkreise, die klein genug sind, dass sich die Mitglieder regelmäßig zum Koranstudium treffen und ein persönliches Verhältnis zueinander aufbauen können.

Die Muslimbruderschaft

Marie-Kristin Boese, SWR, ARD-Morgenmagazin

Vorwurf der Korruption

Einfluss hatte die Bruderschaft in Ägypten auch wegen ihres sozialen Engagements gewonnen. Nach Mursis Amtsantritt aber wuchs der Unmut in der Bevölkerung, weil sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechterte. Zudem mussten sich die Islamisten vorhalten lassen, sie seien ebenso undemokratisch und korrupt wie seinerzeit Mubarak.

Im Juli 2013 wurde Mursi vom Militär um den damaligen Armeechef und heutigen Präsidenten Abdel Fattah al Sisi gestürzt worden. Nach dem Coup wurde die Muslimbruderschaft in Ägypten als Terrororganisation eingestuft und offiziell verboten. Hunderte seiner Mursi-Anhänger wurden seitdem festgenommen, Gerichte verhängten über viele massenhaft Todesurteile im Zusammenhang mit Gewalt bei Protesten gegen seinen Sturz.

Bereits im April dieses Jahres wurde Mursi von einem Gericht zu 20 Jahren Haft verurteilt, am 16. Mai folgte ein Todesurteil, das der ägyptische Mufti aber noch bestätigen muss.