Chronologie der Anschläge in Norwegen Die drei Stunden zwischen Explosion und Festnahme
Bei den beiden Anschlägen in Oslo und auf der norwegischen Insel Utöya sind 77 Menschen getötet worden. Drei Stunden nach der Bombenexplosion im Regierungsviertel wurde der Attentäter festgenommen. Eine Chronologie der Ereignisse, die Norwegen in tiefe Trauer versetzten.
Bei den beiden Anschlägen am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der norwegischen Insel Utöya sind 77 Menschen getötet worden. Drei Stunden nach der Bombenexplosion im Regierungsviertel wurde der Attentäter festgenommen. Im Folgenden ein Ablauf der Ereignisse, wie sie sich nach Angaben der Polizei und Augenzeugen zufolge zugetragen haben.
15.26 Uhr: Im Regierungsviertel in Oslo detoniert ein mehrere hundert Kilogramm schwerer Sprengsatz. Acht Menschen werden dabei getötet. Zunächst ist der Grund der Explosion unklar. Erst spätere Ermittlungen ergeben, dass eine Bombe gezündet wurde. Zum Einsatz kam dabei ein Sprengstoff aus Kunstdünger und Diesel. Die Autobombe wurde in einem Lieferwagen zur Explosion gebracht, der vor dem 17-stöckigen Hauptsitz der Regierung steht. In dem Gebäude, in dem auch der sozialdemokratische Ministerpräsident Jens Stoltenberg sein Büro hat, werden alle Fensterscheiben zerstört. Trümmerteile werden teilweise Hunderte Meter weit geschleudert. Auch mehrere angrenzende Ministerien werden durch den Bombenanschlag beschädigt, das Ölministerium gerät in Brand.
Zwischen 16.40 Uhr und 17.00 Uhr: Etwa 40 Kilometer von Oslo entfernt hören Urlauber erste Schüsse von der nahe gelegenen Insel Utöya im Tyrifjord. Dort machen Hunderte Jugendliche in einem Sommerlager der regierenden sozialdemokratischen Partei Ferien. Der Attentäter war zuvor mit einer Fähre auf die Insel gekommen. Er trägt einen Polizeipullover und eine kugelsichere Weste. Er spricht auf der Insel Jugendliche an und gibt vor, sie über den Bombenanschlag in Oslo informieren zu wollen. Dann eröffnet er das Feuer. Er trägt eine Pistole und eine automatische Waffe bei sich. Etwa eineinhalb Stunden lang läuft er über die Insel und schießt auf die Jugendlichen - auch auf jene, die ins Wasser fliehen. Mindestens 68 Menschen sterben, einer erliegt später seinen Verletzungen. Zwischenzeitliche Angaben, wonach der Täter 86 Menschen erschossen habe, korrigiert die Polizei drei Tage nach der Tat.
17.10 Uhr: Jugendliche, die sich in der Mitte von Utöya aufhalten, wählen eine Notrufnummer, nachdem sie die Geräusche vom Ufer der Insel als Schüsse identifiziert haben. Sie erhalten jedoch als Antwort, sie sollten die Leitung nicht blockieren, falls ihr Anruf nichts mit dem Bombenanschlag in Oslo zu tun habe.
17.27 Uhr: Laut offiziellem Polizeiprotokoll geht der erste Notruf zur Schießerei auf Utöya ein.
17.38 Uhr: Ein Sondereinsatzkommando der Polizei bricht von Oslo nach Utöya auf. Die Einsatzleitung entscheidet sich für die Fahrt in Autos über den Landweg. Der Hubschrauber sei nicht sofort einsatzbereit und für den Transport des gesamten Teams zu klein gewesen, erklärt die Polizei später.
17.45 Uhr: Erste Überlebende der Schießerei auf Utöya erreichen schwimmend das Festland. Sie berichten, dass einige Jugendliche noch im Wasser angeschossen wurden und zu ertrinken drohen. Daraufhin starten mehrere Menschen in ihren Privatbooten in Richtung der Insel, um Überlebende aus dem Wasser zu retten.
17.52 Uhr: Erste Polizisten erreichen das Ufer gegenüber der Insel Utöya. Da sie aber kein Boot für eine Überfahrt haben, vergeht weitere Zeit.
18.01 Uhr: Bei der Polizei geht ein erster Anruf des Attentäters ein. Er nennt seinen Namen und stellt sich als Kommandeur der "norwegischen antikommunistischen Bewegung" vor. Schließlich erklärt er: "Ich bin auf Utöya, ich möchte mich ergeben." Als die Verbindung unterbrochen wird, versucht die Polizei vergeblich, erneut Kontakt zu dem verwendeten Mobiltelefon herzustellen.
18.09 Uhr: Das Sondereinsatzkommando erreicht den See. Allerdings hat die Polizei Schwierigkeiten, ein Boot für die sofortige Überfahrt zu finden. Die Sondereinheit wählt nicht die übliche Anlegestelle für die Überfahrt, die nur 670 Meter von Utöya entfernt liegt. Stattdessen fährt sie am Ufer weiter und besteigt in 3,6 Kilometer Entfernung von der Insel ein Boot. Nach Problemen mit dem genutzten Schlauchboot steigen die Polizisten unterwegs in zwei deutlich schnellere Privatboote um, mit denen sie letztlich zur Insel gelangen.
18.25 Uhr: Das Sondereinsatzkommando trifft auf Utöya ein. Die Sicherheitskräfte wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, wie viele Attentäter auf die Jugendlichen schießen.
18.26 Uhr: Der Attentäter ruft zum zweiten Mal mit seinem Mobiltelefon bei der Polizei an. Darin erklärt er, dass er seine Operation beendet habe und sich stellen wolle. Diesmal gibt es sich als Mitglied der europäischen Tempelritter aus, die in der antikommunistischen, norwegischen Widerstandsbewegung organisiert seien. Auch dieser Anruf wird unterbrochen.
18.27 Uhr: Die Beamten des Sondereinsatzkommandos entdecken den Attentäter auf der Insel und kreisen ihn ein. Der Mann gibt sofort auf und stellt sich den Polizisten, ohne dass diese einen Schuss abgegeben müssen. Später findet die Ermittler auf der Insel weiteren Sprengstoff, der nicht gezündet wurde und dem Verdächtigen zugerechnet wird. Die ursprünglichen Angaben, wonach der Verdächtige um 18.35 Uhr festgenommen wurde, korrigiert die Polizei in ihrem offiziellen Protokoll des Einsatzes.
21.01 Uhr: Die Polizei gibt aufgrund der ersten Vernehmungen bekannt, dass sie davon ausgeht, dass der Verdächtige, der auf Utöya festgenommen wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach auch hinter dem Bombenanschlag in Oslo steckt.