Interview

Experte zur Wiederwahl von Obama "Die Republikaner müssen nun einlenken"

Stand: 07.11.2012 13:16 Uhr

US-Präsident Obama hat die Wahl in der Mitte gewonnen, sagt der Wissenschaftler Irwin Collier im Interview mit tagesschau.de. Er meint, die Blockadepolitik der Republikaner sei gescheitert. Obama habe zudem nun den Vorteil, dass er nicht mehr wiedergewählt werden muss.

tagesschau.de: Barack Obama hat es geschafft, hat die US-Präsidentenwahl erneut gewonnen. Auch die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamentskammern verändern sich nicht. Bleibt jetzt einfach alles beim Alten?

Irwin Collier: Obama ist eine Konstante geworden und er hat nun nicht mehr die Herausforderung, erneut gewählt werden zu müssen. Jetzt kann Obama ganz gezielt Projekte angehen, wie beispielsweise Steuererhöhungen. Vor solchen Instrumenten der Fiskalpolitik haben Politiker, die wiedergewählt werden müssen, viel Angst.

Zur Person
Irwin Collier ist seit 1994 Professor am John-F.-Kennedy-Institut in Berlin. Er ist Institutsratsvorsitzender der Abteilung Wirtschaft. Collier forscht zur Wirtschaftsgeschichte, -theorien sowie zu vergleichenden Analysen von Wirtschaftssystemen.

tagesschau.de: In den vergangenen Tagen war oft davon die Rede, dass das Krisenmanagement nach dem Wirbelsturm "Sandy" Obama geholfen habe. Welche anderen Entscheidungen waren ausschlaggebend für seinen Erfolg?

Collier: General Motors lebt und Osama bin Laden ist tot. Diese beiden Punkte waren mitentscheidend für den Wahlausgang. Obama hat demonstriert: Die Demokraten sind nicht die Weicheier, als die sie in der amerikanischen Politik gelten. Er hat Härte gezeigt und gewonnen - trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Der Bail-out in der Autoindustrie war eine höchst umstrittene und kontroverse Entscheidung - und sie hat Obama sehr geholfen.

tagesschau.de: Die Republikaner haben also offenbar beim Zutrauen in ihre Kernkompetenzen - nämlich harte Hand in der Außenpolitik und Wirtschaftspolitik - an Obama verloren. Wie wird die Partei darauf reagieren?

Collier: Bei den Republikanern lautet nun die große Frage: Warum hat man diese Wahl verloren? Umfragen haben gezeigt, dass 50 Prozent der untentschiedenen Wähler die Schuld für die wirtschaftlichen Probleme bei den Republikanern und bei Ex-Präsident George W. Bush sehen. Die kommenden zwei Monate werden zeigen, ob es eine Wende bei den Republikanern geben wird, ob sie sich nun kompromissbereiter zeigen. Die Bereitschaft dazu war bei den Republikanern bislang nicht zu spüren.

"Strategie der Blockade gescheitert"

tagesschau.de: Warum sollten die Republikaner nun einlenken?

Collier: Mit ihrer Strategie der Blockade hatten sie keinen Erfolg. In Massachusetts und Indiana haben sie zwei Senatoren verloren, die man nicht verlieren musste. Sollten die Republikaner nun nicht mehr Kooperationswillen zeigen, werden sie in der Mitte nicht erfolgreich sein. Aber da sind die Wahlen in Amerika zu gewinnen - und das hat Obama am besten gemacht. Es nützt den Republikanern nichts, besonders starke Anhänger zu haben, wenn sie die 51 Prozent nicht erreichen. "Winner takes all" - das ist das Wahlsystem in den USA.

tagesschau.de: Welche außenpolitischen Projekte sind nun am wichtigsten?

Collier: Der Konflikt zwischen Iran, Israel und den USA bereitet den Demokraten weiterhin große Sorge. Dieses Problem ist nicht gelöst - und vielleicht lässt es sich auch gar nicht lösen. Das ist eine große Herausforderung.

Die Demokraten haben weiterhin Angst vor einer unkontrollierbaren, explodierenden Euro-Krise. Die Gefahr, dass dieses Problem aus dem Ruder läuft, ist weiterhin gegeben. Stabilität für die globalen Finanzmärkte und für die weltweiten Handelsströme ist sehr wichtig. Außerdem darf die Nachfrage für amerikanische Produkte nicht gestört werden. Europa ist weiterhin ein sehr wichtiger Handelspartner für die USA. Aber wichtiger wird auch eine bessere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Staaten in Asien, da ist ein Schwerpunkt der künftigen US-Wirtschaftspolitik zu sehen.

tagesschau.de: Was hätte Mitt Romney bei der Bekämpfung der Finanzkrise anders gemacht?

Collier: Ein großer Unterschied ist beispielsweise, dass Romney klar gegenüber dem rechten Republikaner-Flügel signalisiert hat: Der Chef der FED, Ben Bernanke, muss ersetzt werden. Das ist übrigens bemerkenswert, da Bernanke von Bush berufen worden war. Doch Leute wie Mario Draghi oder Bernanke liegen eben viel mehr auf der Linie der Wirtschaftsberater der Demokraten als der Republikaner.

tagesschau.de: Vermittelt es der internationalen Politik und den Finanzmärkten auch Sicherheit, dass Obama wiedergewählt wurde, ganz abseits von seinen Positionen, einfach weil Kontinuität da ist?

Collier: Für die internationale Politik und die Finanzmärkte gilt: Lieber ein Teufel, den wir schon gut kennen, als einen unbekannten Teufel. Mit dem Team Obama können die Akteure in Politik und Wirtschaft umgehen und rechnen. Die Frage ist nur, ob es wieder so einen "gridlock", also einen Stillstand, durch die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamentskammern geben wird. Dann ist eine koordinierte Fiskalpolitik kaum möglich.

tagesschau.de: Ein US-Präsident kann nur einmal wiedergewählt werden. Was muss Obama tun, damit die Demokraten bei der nächsten Wahl eine Chance haben, auch ohne ihn?

Collier: Er muss keine Wahl mehr gewinnen: Wenn die Republikaner weiter eine Zerstörungspolitik betreiben, könnte Obama in zwei Jahren offensiv auf den Kongress zielen und bereits den Wahlkampf für die nächsten demokratischen Präsidentschaftskandidaten einleiten.

Das Interview führte Patrick Gensing, tagesschau.de