
Orban will Abstimmung über LGBTQ-Gesetz "Für die Zukunft unserer Kinder"
In der EU ist die Empörung über das umstrittene LGBTQ-Gesetz groß, nun will die Ungarns Regierung das Volk befragen. Mehrere Oppositionsparteien haben zu einem Boykott aufgerufen.
Brüssel greife Ungarn seit Wochen wegen des "Kinderschutzgesetzes" an - so Ministerpräsident Viktor Orban in einer Facebook-Ansprache. Und deswegen werde die ungarische Regierung eine Volksabstimmung organisieren: "Brüsseler Bürokraten bedrohen uns, initiieren Vertragsverletzungsverfahren, beziehungsweise sie missbrauchen ihre eigene Macht. Der Einsatz ist für die Zukunft unserer Kinder. Deswegen dürfen wir in dieser Frage nicht nachgeben. Wenn der Druck auf unsere Heimat so groß ist, dann kann Ungarn nur den gemeinsamen Willen des Volkes verteidigen. Deswegen hat die Regierung entschieden, dass wir eine Volksabstimmung mit fünf Fragen initiieren."
Dabei ist etwa die Frage: "Sind sie damit einverstanden, dass die sexuelle Orientierung ohne Genehmigung der Eltern in öffentlichen Bildungseinrichtungen thematisiert wird" oder auch die Frage: "Unterstützen Sie, dass Geschlechtsumwandlungs-Operationen für Kinder popularisiert werden?"
Kritik: Orban will ablenken
Die ungarische Opposition reagiert mit scharfer Kritik auf die angekündigte Volksabstimmung. Der Haupttenor: Orban möchte damit von anderen Themen ablenken, etwa von der "Pegasus-Affäre" rund um möglicherweise staatliche Spähangriffe.
Klara Dobrev von der Demokratischen Koalition kritisiert: "Er initiiert eine Volksabstimmung über Probleme, die nicht existieren. Und gegen Feinde, die nicht existieren. Und er tut das alles nur deswegen, damit er über Kernpunkte nicht reden muss. Er hat mit ehrlosen, rechtlosen, ungesetzlichen Mitteln das eigene Volk überwacht, ungarische Staatsbürger wie Journalisten, Anwälte, Politiker und Geschäftsleute." Außerdem habe die EU ihre Förderungen abgestellt. Die ungarische Regierung könne diese Gelder nun nicht mehr an ihre Oligarchen und Familien verteilen.
Die oppositionelle Momentumbewegung ruft zu einem Boykott auf: An dieser "hasserfüllten Volksabstimmung" dürfe man keinesfalls teilnehmen, heißt es in einer Erklärung der Partei auf Facebook.
Mehr als 50 Prozent müssen teilnehmen
Volksabstimmungen sind in Ungarn nur dann rechtlich bindend, wenn mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten teilnehmen. In diesem Fall hat das Parlament 180 Tage Zeit, ein entsprechendes Gesetz zu formulieren.
2016 hatte die ungarische Regierung in einem Referendum über die EU-weite Flüchtlingsverteilung abstimmen lassen. Die Abstimmung war ungültig, weil lediglich 43 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt haben. Mehr als 98 Prozent der abgegebenen Stimmen unterstützen aber den Standpunkt der Regierung.
Orban: "Gemeinsam werden wir es schaffen"
Ein Erfolg, den Orban auch in der Facebook-Ansprache erwähnt: "Ich bitte Sie, dass wir gemeinsam mit 'Nein' auf diese Fragen antworten. So wie es wir vor fünf Jahren gemacht haben: Wir haben 'Nein' gesagt , als Brüssel Ungarn Einwanderer aufzwingen wollte. Eine Volksabstimmung und ein gemeinsamer Wille des Volkes haben Brüssel gestoppt. Einmal haben wir es geschafft. Gemeinsam werden wir es wieder schaffen."
Es ist noch nicht bekannt, wann die angekündigte Volksabstimmung stattfinden soll. Laut Schätzungen dürfte es bis zum Frühjahr 2022 dauern, bis alle formalen Kriterien für eine Volksabstimmung umgesetzt sind. Im Frühjahr sind in Ungarn aber Parlamentswahlen angesetzt, und laut Verfassung sind Volksabstimmungen in Ungarn 41 Tag vor und nach Wahlen unzulässig.