EU rügt Mediengesetz Polen will von Kritik nichts wissen

Stand: 04.01.2016 04:34 Uhr

Polens nationalkonservative Regierung hat die EU-Kritik am neuen Mediengesetz zurückgewiesen. Die Änderungen seien nötig, um wieder Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen des Landes zu schaffen. Außenminister Waszczykowski sprach von "Krankheiten", die beseitigt werden müssten.

Polen hat sein neues Mediengesetz als fair verteidigt. Die umstrittenen Änderungen seien notwendig, weil im öffentlich-rechtlichen Fernsehen des Landes unter der im Oktober abgewählten Regierung keine Vielfalt geherrscht habe, sagte Präsidentensprecher Marek Magierowski. Es sei damals zu einem Ein-Parteien-Medium geworden. Das ignoriere die EU bei ihrer Kritik.

Auch Polens Außenminister verwahrte sich gegen die Kritik der EU-Kommission. "Wir wollen lediglich unseren Staat von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann", sagte Witold Waszcykowski der "Bild"-Zeitung.

Radfahrer und Vegetarier

Bei den Medien sei unter der Vorgängerregierung ein bestimmtes linkes Politikkonzept verfolgt worden. "Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen - zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energie setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen." Das habe mit traditionellen polnischen Werten nichts zu tun, so Waszcykowski.

Das Gesetz ermöglicht es der neuen rechtskonservativen Regierung, Direktoren der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender zu berufen. Die Zahl der Kontrollratsmitglieder der Stationen wird zudem begrenzt und die Mandate der derzeitigen Amtsträger beendet. Im Eilverfahren war es vom Parlament beschlossen worden.

Präsident Duda muss noch unterschreiben

Polens Präsident Andrzej Duda muss das Gesetz noch unterzeichnen. Es wird erwartet, dass er es unterschreiben wird, da er Mitglied der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS war.

Die EU sieht durch die Eingriffsmöglichkeiten der Regierung die Unabhängigkeit der Medien bedroht. EU-Medienkommissar Günther Oettinger sagte, das Vorgehen Polens solle durch den EU-Rechtsstaatsmechanismus kontrolliert werden. Die Debatte der EU-Kommission am 13. Januar ist die Vorstufe zu einem Prüfverfahren, das der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit durch die Mitgliedstaaten dient.

Der Rechtsstaatsmechanismus der EU wurde erst 2014 eingeführt. Er sieht einen verstärkten Dialog mit einem Mitgliedsland vor, wenn die EU-Kommission Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit befürchtet. Wenn das Mitglied nicht auf Änderungswünsche der Kommission reagiert, droht ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen europäische Grundwerte. Am Ende könnte der Entzug von Stimmrechten stehen.

Rücktrittswelle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Am Samstag hatten die Direktoren von vier Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP ihren Rücktritt eingereicht. Sie wollten damit offenbar ihrer Entlassung zuvorkommen, die sie durch das neue Mediengesetz befürchten. Internationale Journalisten- und Medienorganisationen hatten das Gesetz scharf kritisiert.

Wie Brüssel gegen Rechtsverstöße in EU-Staaten vorgehen kann
Die EU-Kommission hat als "Hüterin der EU-Verträge" folgende Möglichkeiten, gegen Mitgliedsstaaten wegen Rechtsbrüchen vorzugehen:

Verfahren wegen Verletzung des EU-Vertrags: Dies ist der gängige Weg, wenn die Kommission der Ansicht ist, dass EU-Recht nicht eingehalten wird. Gegen das Land wird ein dreistufiges Verfahren auf den Weg gebracht, das in letzter Konsequenz in einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) münden kann.

Verfahren wegen Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit: Bei dem mehrstufigen Verfahren handelt es sich um eine Art Frühwarnmechanismus, der es der Kommission ermöglicht, gemeinsam mit dem betreffenden Land Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit zu beseitigen.

Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags: Scheitert der Frühwarnmechanismus, drohen dem entsprechenden Mitgliedstaat weitreichende Folgen: Bei "schwerwiegender und anhaltender Verletzung" der im EU-Vertrag verankerten Werte kann als letzte Möglichkeit das Stimmrecht des Landes bei Ministerräten und EU-Gipfeln entzogen werden. Weil diese Sanktion so hart ist, kam sie bislang nicht zum Einsatz.

Quelle: dpa