Weltkriegs-Reparationen Polen beziffert Schäden auf 1,3 Billionen Euro
Polen will von Deutschland Reparationszahlungen fordern. Ein neues Gutachten beziffere die Schäden durch den Zweiten Weltkrieg auf 1,3 Billionen Euro, sagte PiS-Chef Kaczynski. Die Bundesregierung lehnt die Forderungen ab.
Polen beziffert die von Deutschland im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden laut einem Gutachten auf umgerechnet mehr als 1,3 Billionen Euro. Der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, kündigte bei der Vorstellung des Berichts zugleich Reparationsforderungen an. Man wolle mit Berlin über Entschädigungen in dem geschätzten Volumen verhandeln, sagte er.
"Heute wird im Warschauer Königsschloss die Entscheidung getroffen und endgültig verkündet, dass Polen Kriegsreparationen beantragen wird, Reparationen für alles, was die Deutschen in Polen in den Jahren 1939 bis 1945 getan haben", sagte Kaczynski. Bis Polen jedoch Reparationen erhalte, sei ein "langer und schwieriger" Prozess zu durchlaufen.
Bundesregierung lehnt Reparationsforderungen ab
Deutschland müsse die Reparationen nicht auf einmal zahlen, sondern über Jahrzehnte, fügte Kaczynski hinzu. Die Summe stelle für die deutsche Wirtschaft keine übermäßige Belastung dar. Dutzende Länder weltweit hätten Entschädigungen von Deutschland erhalten: "Es gibt keinen Grund, warum Polen von dieser Regel ausgenommen werden sollte."
Die Bundesregierung lehnt jegliche Reparationsforderungen ab. Für sie ist die Frage mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit abgeschlossen. "Die Position der Bundesregierung ist unverändert, die Reparationsfrage ist geklärt", schrieb ein Sprecher des Auswärtigen Amts in einer E-Mail, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.
"Polen hat vor langer Zeit, 1953, auf weitere Reparationen verzichtet und diesen Verzicht mehrfach bestätigt. Das ist ein Grundpfeiler der heutigen europäischen Ordnung. Deutschland steht zu seiner politischen und moralischen Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg", heißt es in der E-Mail weiter.
Gutachten auf Initiative der PiS
Vertreter der nationalkonservativen Partei PiS, die seit 2015 in Polen regiert, haben das Thema Reparationsforderungen immer wieder aufgebracht. 2017 entstand auf Initiative der PiS eine Parlamentskommission, die einen Bericht zur geschätzten Höhe der Kriegsschäden erarbeiten sollte. Die Veröffentlichung dieses Gutachtens wurde zwar öfters angekündigt, aber immer wieder hinausgezögert. Nun wurde es am 83. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen in Warschau vorgestellt. Es ist Grundlage der Forderungen.
Kaczynski sprach von einem "enormen Schaden" bis heute. "Die Deutschen sind in Polen eingefallen und haben uns enormen Schaden zugefügt. Die Besatzung war unglaublich verbrecherisch, unglaublich grausam und hatte Auswirkungen, die in vielen Fällen bis heute anhalten", sagte er. "Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, nur weil es jemandem so vorkommt, als befände sich Polen in einer besonderen, radikal niedrigeren Position als andere Länder."
Tusk: Regierung setzt auf antideutsche Kampagne
Vor der Präsentation des Gutachtens hatte der polnische Oppositionsführer und ehemalige EU-Ratspräsident Donald Tusk das Vorhaben hingegen kritisiert. Der nationalkonservativen Regierungspartei PiS gehe es dabei nicht um Reparationszahlungen von Deutschland, sondern um eine innenpolitische Kampagne, sagte er. "PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski macht kein Geheimnis daraus, dass er mit dieser antideutschen Kampagne den Rückhalt für die Regierungspartei ausbauen will."
Die PiS-Regierung hat zuletzt ihre Rhetorik gegenüber Deutschland verschärft. So warnte kürzlich Polens Umweltministerin Anna Moskwa im Zusammenhang mit dem Fischsterben in der Oder vor Falschmeldungen ("fake news") aus Deutschland. Dies sorgte in Berlin für erhebliche Irritationen.