Reaktion auf Putin-Rede "Putin darf nicht gewinnen"
Die Reaktionen auf die Rede von Russlands Präsident Putin blieben nicht lange aus: NATO-Generalsekretär Stoltenberg und die USA wiesen Putins Vorwürfe deutlich zurück. Realitätsfern, hieß es aus der Ukraine.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Entscheidung Russlands bedauert, den "New Start"-Vertrag auszusetzen. "Mit der heutigen Entscheidung über New Start ist die gesamte Rüstungskontrollarchitektur demontiert worden", sagte er auf einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Brüssel. Die Regierung in Moskau solle die Entscheidung überdenken, so Stoltenberg weiter. "Mehr Atomwaffen und weniger Rüstungskontrolle machen die Welt gefährlicher", sagte Stoltenberg.
Ähnlich äußerte sich UN-Generalsekretär António Guterres, der vor den Folgen des Schritts warnte. "Eine Welt ohne Kontrolle von Atomwaffen ist eine deutlich gefährlichere und instabilere mit potenziell katastrophalen Konsequenzen", sagte Guterres nach Angaben seines Sprechers Stéphane Dujarric. Die USA und Russland sollten umgehend zu einem Dialog zurückkehren.
Blinken: Entscheidung "unglücklich und unverantwortlich"
US-Außenminister Antony Blinken nannte Putins Entscheidung zum "New Start"-Vertrag bei einem Besuch in Griechenland "unglücklich und unverantwortlich". "Wir werden aufmerksam beobachten, was Russland tatsächlich tut." Washington sei jederzeit bereit, mit Moskau über Waffenkontrolle zu sprechen, sagte er in Athen.
Putin hatte zuvor in seiner Rede zur Lage der Nation in Moskau angekündigt, den letzten verbliebenen Atomwaffen-Kontrollvertrag mit den USA auszusetzen. Putin hatte zudem den Westen "voll" für die Eskalation in der Ukraine verantwortlich gemacht.
Zu Putins Anschuldigung, der Westen versuche Russland zu zerstören, sagte Stoltenberg, Russland habe die Ukraine angegriffen. "Es ist Präsident Putin, der diesen imperialen Eroberungskrieg begonnen hat." Niemand greife Russland an, Russland sei der Aggressor, betonte Stoltenberg weiter. Putin habe deutlich gemacht, dass er sich auf weitere Kriege vorbereite. "Putin darf nicht gewinnen", so Stoltenberg weiter. "Es wäre gefährlich für unsere eigene Sicherheit und die ganze Welt."
"Niemand greift Russland an", sagte auch der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, vor Journalisten. Die Vorstellung, "dass Russland in irgendeiner Form von der Ukraine oder sonst jemandem militärisch bedroht wurde", sei daher eine "Absurdität".
Blinken sagte in Athen mit Blick auf die russische Offensive in der Ukraine, wenn diese ungeahndet bleibe, werde "die Büchse der Pandora" für eine Welt geöffnet, "in der Macht bestimmt, was Recht ist".
Selenskyj-Berater: Putin in "einer anderen Realität"
Nach Einschätzung von Mychailo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, hat Putin den Bezug zur Realität verloren. "Er befindet sich in einer völlig anderen Realität, in der es keine Gelegenheit gibt, einen Dialog über Gerechtigkeit und Völkerrecht zu führen", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Russland stecke in einer Sackgasse, und alles was es unternehme, verschlechtere seine Lage.
Nach Putins Rede bekräftigte die Führung in Kiew das Ziel, die russischen Soldaten aus der Ukraine zu "vertreiben" und die Verantwortlichen für den Krieg zur Rechenschaft zu ziehen. Die Russen steckten "strategisch in einer Sackgasse", erklärte der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak, im Onlinedienst Telegram. "Unsere Aufgabe ist es, sie aus der Ukraine zu vertreiben und sie für alles zu bestrafen".
Meloni spricht von Propaganda Putins
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bezeichnete Putins Rede als Propaganda. Sie habe auf konstruktivere Äußerungen gehofft, sagt sie während eines Besuches in der ukrainischen Stadt Irpin. "Ein Teil meines Herzens hoffte auf andere Worte, auf einen Schritt nach vorne. Es war Propaganda." Meloni von den postfaschistischen Fratelli d'Italia führt eine Rechtsregierung. Ihre Bündnispartner Matteo Salvini von der Lega und Silvio Berlusconi von der Forza Italia stehen der russischen Regierung deutlich freundlicher gegenüber.
Der russische Staatschef hält traditionell jedes Jahr eine Rede zur Lage der Nation vor den russischen Abgeordneten, in der er eine Bilanz des vergangenen Jahres zieht und neue strategische Ziele festlegt. Im Jahr 2022 war die Ansprache abgesagt worden.