Kapitänin Carola Rackete

"Seawatch"-Kapitänin Rackete macht Druck in Brüssel

Stand: 03.10.2019 03:03 Uhr

Vor der entscheidenden Sitzung der europäischen Innenminister zur Seenotrettung erscheint heute die deutsche "Seawatch"-Kapitänin Rackete vor dem Europaparlament. Ein Kompromiss ist nach wie vor nicht in Sicht.

Es wird eine laute, es wird eine hitzige Debatte, da sind sich die meisten im Europaparlament sicher. Denn Carola Rackete ist zum Symbol geworden. Für die einen, vor allem von Parteien am rechten Rand, ist die 31-Jährige Türöffner für einen ungeregelten Ansturm von Migranten.

Für die anderen steht sie für das freundliche Gesicht Europas, das Menschen in Not selbstlos rettet und dafür sogar Gefängnis riskiert - wie im Sommer, als Rackete sich mit Italiens damaligem Innenminister Matteo Salvini anlegte und nach Wochen auf See gegen seinen erklärten Willen mit gut 50 Migranten in den Hafen von Lampedusa einfuhr.

Deutschland und andere Staaten haben eine historische Verantwortung für die aktuelle Situation und die Machtstrukturen, die da sind. Was zum Beispiel die Umweltzerstörung angeht oder auch die noch zunehmende Flucht vor den Auswirkungen des Klimawandels. Dieser Verantwortung muss man sich stellen.

Seehofers Allianz noch nicht in Sicht

Racketes Besuch im Europaparlament findet nur Tage vor einer entscheidenden Sitzung der europäischen Innenminister zur Seenotrettung statt. Am kommenden Dienstag schlägt nämlich die Stunde für Horst Seehofer. Der wollte gemeinsam mit seinem französischen Kollegen bei genau diesem Treffen in Luxemburg eigentlich eine breite "Koalition der Willigen" präsentieren, wie er es immer nannte.

Möglichst 12 bis 14 Länder, die sich zunächst auf feste Quoten verständigen, nach denen aus Seenot Gerettete in Europa verteilt werden. Deutschland könnte danach bis zu einem Viertel der Flüchtlinge übernehmen, hieß es. Doch daraus scheint zunächst nichts zu werden, denn eine breite Allianz ist weiterhin nicht in Sicht, hört man von Diplomaten hier in Brüssel.

Sea-Watch-3

Ein italienisches Boot der Küstenwache patrouilliert neben dem Rettungsschiff Sea-Watch 3 in Sichtweite des Hafens von Lampedusa.

Malta und Italien sind nicht das Problem

Dabei ging es innerhalb der vergangenen zwölf Monate um weniger als 3000 Menschen, betont etwa der Migrationsexperte der Europäischen Grünen, Erik Marquardt. "Es ist in der Tat so, dass viel über Italien und Malta diskutiert wird. Dabei liegen die eigentlichen Herausforderungen in Spanien und Griechenland, wo bis zu zehn Mal mehr Menschen in diesem Jahr angekommen sind. Die Zahl der Menschen, die in Italien landen, wäre eigentlich leicht zu bewältigen. Aber wir wissen ja auch, dass sich das schnell ändern kann."

Deshalb brauche es so oder so eine große Lösung. Da ist sich der Grüne mit fast allen anderen im Europaparlament einig. Und die Lösung müsse weit über einen gemeinsamen Weg bei der Seenotrettung hinausgehen, ergänzt sein FDP-Kollege Moritz Körner: "Wir müssen noch viel stärker als bisher mit den Herkunfts- und Transitländern in Afrika zusammenarbeiten. Wir müssen auch unter dem Dach der Vereinten Nationen Schutzzonen aufbauen, weil wir nicht nur die unterstützen müssen, die es zu den Booten schaffen, sondern vor allem diejenigen, die am schutzbedürftigsten sind."

Seit Jahren arbeiten die Innenminister nicht nur daran, sondern auch an einem neuen gemeinsamen Asylsystem. Bislang ohne Erfolg. Einen Vorschlag des Europaparlaments, von Christ- und Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken gemeinsam getragen, wie man beispielsweise Migranten über die EU verteilen könnte, wischten sie vom Tisch, ohne sich ausführlicher damit zu befassen. Ohne allerdings auch bis heute Alternativen präsentieren zu können.

Malte Pieper, Malte Pieper, ARD Brüssel, 03.10.2019 07:08 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell am 03. Oktober 2019 um 06:08 Uhr.