Schweden zieht positive Bilanz der EU-Ratspräsidentschaft "Zuverlässig wie ein Dieselmotor von Volvo"
Der scheidende EU-Ratspräsident Reinfeldt ist mit sich im Reinen: Zwar misslang der erhoffte Durchbruch auf dem Klimagipfel. Doch unter dem schwedischen Vorsitz einigten sich die Europäer auf den Vertrag von Lissabon und konnten schwierige Personalien klären. Ob der Ruhm daheim nachwirkt, muss sich erst noch zeigen.
Von Alexander Budde, ARD-Hörfunkstudio Stockholm
Erfrischend kühl, pragmatisch, redlich - so blieben vielen Beobachtern der Brüsseler Verhältnisse die Auftritte des schwedischen Regierungschefs Fredrik Reinfeldt in Erinnerung. "Zuverlässig wie ein Dieselmotor von Volvo", bilanzierte das französische Wirtschaftsblatt La Tribune - und kürte den Konservativen sogleich zum Europäer des Jahres.
Reinfeldt hatte während seiner Zeit als Ratspräsident vor allem mit einem zu kämpfen, ...
Voll des Lobes über die Verhandlungsführung ist auch Fredrik Langdal, Forscher am Schwedischen Institut für Europapolitische Studien. "Nach dem Pathos der französischen und dem Chaos der tschechischen Ratspräsidentschaft war Europa reif für die nüchterne Arbeitsatmosphäre der Schweden. Man hat sich selbst sehr zurückgenommen, war stets auf Konsens bedacht, sehr schwedisch eben. Ich denke, das ist gut angekommen", so Langdal.
Nachdem die Iren dem Lissabon-Vertrag für eine umfassende Reform der Union im zweiten Anlauf zugestimmt hatten, verweigerte Tschechiens Präsident Vaclav Klaus bis zuletzt seine Unterschrift. Die zähen Verhandlungen auf der Prager Burg hat Reinfeldt im Rückblick selbst als die härteste Prüfung bezeichnet. Der Durchbruch gelang, weil man auf öffentlichen Druck verzichtete, sagt der Politologe Langdal. Und er fand einen Weg, der dem Tschechen die Zustimmung erlaubte, ohne das Gesicht zu verlieren.
Die Einigung auf den umkämpften EU-Vertrag war der größte Erfolg dieser letzten klassischen Ratspräsidentschaft, die nach dem turbulenten Vorsitz der Tschechen auch ein Stück weit das Vertrauen in die Führungsstärke kleiner Länder wieder herstellte.
Kritik an Besetzung der EU-Spitzenposten
Kein Beitrag für mehr Transparenz und demokratische Prinzipien war das undurchsichtige Pokerspiel um die Berufung von Herman Van Rumpuy und Catherine Ashton in die neuen Spitzenämter, die der Union künftig ein Gesicht geben sollen. "Es gab viel Kritik an der schwedischen Regierung", so Langdal. "Zum einen wegen der Geheimniskrämerei um die Personalien, zum anderen, weil man die Posten besetzte, ohne zuvor die Arbeitsaufgaben beschrieben zu haben. Also welche Rolle die beiden im politischen System der EU einnehmen und wie sie sich zueinander verhalten sollen."
Herman van Rompuy, Fredrik Reinfeldt, Jose Manuel Barroso und Catherine Ashton. (von links)
Ungehört verhallten die Appelle des schwedischen Finanzministers Anders Borg, der galoppierenden Staatsverschuldung Einhalt zu gebieten. Die vollmundig versprochene Neuordnung der Finanzmärkte blieb aus.
Eine Aufgabe für die Spanier, die die Stafette zum Jahreswechsel übernehmen, wird auch die künftige Erweiterung sein. Das Beitrittsgesuch Islands will die Union wohlwollend prüfen. Verhandelt wird auch mit Kroatien. Reisende aus Serbien, Montenegro und Mazedonien wurden vom Visumszwang befreit.
Für das Kopenhagen-Desaster trägt Reinfeldt nicht die Alleinschuld
Kungeln in großen und kleinen Runden - geholfen hat es am Ende wenig. Der Klimagipfel endete ohne konkretes Ergebnis.
Zum Fiasko geriet der Klimagipfel von Kopenhagen. Die Schuld daran braucht sich der scheidende Ratspräsident allerdings nicht allein anzukreiden. Immerhin einigte sich das Europa der 27 auf ambitiöse Reduktionsziele und Finanzhilfen für die ärmsten Länder. Das Ergebnis sei gleichwohl ernüchternd, bekennt Reinfeldt: "Wir haben uns auf ein politisches Dokument geeinigt. Das wird nicht ausreichen, um das Ziel einer Begrenzung der Erwärmung um höchstens zwei Grad zu erreichen. Wer aber nicht dabei war, wird kaum verstehen, wie schwierig diese Verhandlungen waren. Wenn 193 Staaten versammelt sind und im Konsens entscheiden, dann geben die mit den geringsten Ambitionen das Tempo vor."
Ob sich die vielen Fototermine mit Kollegen wie Barack Obama, Dimitri Medwedjew und Hu Jintao am Ende in der Wählergunst bemerkbar machen, wird sich erst noch zeigen. Im Herbst nächsten Jahres stehen in Schweden Wahlen an. In den Umfragen liegt die bürgerliche Vier-Parteien-Koalition zurück. Auch und gerade, weil der Chef so oft in der Ferne weilte. "Unsere Wirtschaft leidet", so Reinfeldt. "Die Krise trifft uns hart, auch wenn wir in Europa wohl die beste Ordnung in unseren Finanzen haben. Während sich viele Schweden um ihre Arbeitsplätze sorgen, mussten wir uns ganz auf unseren Vorsitz konzentrieren und uns mit Problemen befassen, die nicht unbedingt alle Schweden am Frühstückstisch diskutieren."