TV-Ansprache zur Ostukraine Putin erkennt Separatisten-"Republiken" an
Der russische Präsident Putin hat die Separatistengebiete Donezk und Luhansk als unabhängig anerkannt. Die Ukraine sei Teil russischer Geschichte, sagte er bei einer Ansprache. Zudem erhob er erneut Vorwürfe gegen die NATO.
Angekündigt war der Schritt bereits - nun hat der russische Präsident Wladimir Putin die beiden Separatistengebiete Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige "Volksrepubliken" anerkannt. Das Staatsfernsehen zeigte, wie der Kremlchef nach einem Antrag der Separatisten ein entsprechendes Dekret unterzeichnete. Er sei zuversichtlich, dass die russische Bevölkerung seine Entscheidung unterstütze, sagte Putin.
Zugleich schloss er mit den Vertretern der beiden prorussischen Separatistenrepubliken einen Vertrag über "Freundschaft und Beistand". Damit wird eine Stationierung russischer Soldaten dort möglich. Putin rief das Parlament auf, "diese Entscheidung zu bestätigen und anschließend die Freundschafts- und Hilfsabkommen mit den beiden Republiken zu ratifizieren".
Die EU verurteilte den Schritt in einer ersten Reaktion scharf und kündigte Sanktionen gegen alle Beteiligten an. Auch die USA erklärten, sie würden Strafmaßnahmen verhängen.
Putin: "Teil unserer eigenen Geschichte"
In seiner Ansprache bezeichnete Putin die Ukraine als einen durch Russland unter dem kommunistischen Revolutionsführer Lenin geschaffenen Staat. "Die Ukraine ist für uns nicht nur ein Nachbarland. Sie ist ein unabdingbarer Teil unserer eigenen Geschichte und Kultur." Die Denkmäler Lenins seien dort zerstört worden als Zeichen der "Dekommunisierung", sagte Putin mit Blick auf die Abschaffung der Überreste des Kommunismus. "Wir sind bereit, der Ukraine zu zeigen, was eine echte Dekommunisierung ist."
Die Ukraine sei "bis auf das Niveau einer Kolonie mit einem Marionetten-Regime gebracht worden", so der Kremlchef weiter. Sie habe nie eine "echte Staatlichkeit" gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert. Heute hätten in der Ukraine Radikale und Nationalisten das Sagen - unter den Kuratoren des Westens, die das Land in eine Sackgasse geführt hätten. Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen würden verhindern, dass es den Menschen in der Ex-Sowjetrepublik besser gehe.
Putin warf der Ukraine vor, eigene Atomwaffen bauen zu wollen. Dies komme Vorbereitungen für einen Angriff auf Russland gleich. Er forderte die ukrainische Führung zudem auf, sofort das Feuer in der Ostukraine einzustellen. Anderenfalls werde Kiew die volle Verantwortung dafür tragen.
Vorwürfe an die NATO
Auch an die NATO richtete der Kremlchef schwere Vorwürfe. Diese und die USA hätten die Ukraine unverhohlen zu einem Kriegsschauplatz gemacht, so Putin. Dort stationierte US-Drohnen würden ständig Russland ausspionieren. Ein NATO-Beitritt der Ukraine sei eine direkte Bedrohung der russischen Sicherheit.
Putin warf dem Bündnis eine jahrelange Täuschung Moskaus vor. Russland sei zu Sowjetzeiten bei der Wiedervereinigung Deutschlands versprochen worden, dass die NATO sich nicht nach Osten ausdehne. "Sie haben uns betrogen", sagte er. Die NATO habe es darauf angelegt, Russland als flächenmäßig größtes Land zu schwächen, so Putin. Der Block habe seine militärische Infrastruktur immer weiter an die Grenzen Russlands heranbewegt. Das westliche Bündnis habe dabei auf Moskaus Sorgen "gespuckt" und gemacht, was es wolle, so der Kremlchef.
Zugleich sagte Putin, dass Russland weiter bereit sei zum Dialog mit dem Westen - mit der NATO und den USA. Voraussetzung sei ein Ende der Osterweiterung, ein Verzicht auf die Stationierung von Raketenabwehrsystemen und ein Rückzug der NATO auf die Positionen von 1997.
Scholz hatte zu Deeskalation aufgerufen
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Putin noch am Nachmittag in einem Telefonat vor dem Schritt gewarnt, die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk anzuerkennen. Dieser werde "im krassen Widerspruch" zu den Minsker Abkommen zur friedlichen Beilegung des Konflikts in der Ostukraine stehen und wäre ein "einseitiger Bruch" dieser Vereinbarungen seitens Russlands, sagte ein Sprecher.
Scholz rief Putin erneut zur Deeskalation und zum Rückzug der zusammengezogenen Kräfte von der Grenze zur Ukraine auf. Er unterstrich, dass es nun insbesondere im Osten der Ukraine gelte, den Waffenstillstand einzuhalten und Zeichen der Entspannung zu setzen.
Separatistenführer forderten Anerkennung
Die Separatistenführer in Donezk und Luhansk hatten in einer im russischen Fernsehen übertragenen Videobotschaft um Anerkennung und außerdem um eine Zusammenarbeit mit Moskau "im Bereich der Verteidigung" gebeten. Auch das russische Unterhaus hatte die Anerkennung gefordert.
Laut der Nachrichtenagentur dpa wurde Putins Entscheidung in Donezk mit einem angeblich spontanen Feuerwerk gefeiert. Videos aus der Separatistenhochburg zeigten demnach Dutzende feiernde Menschen mit russischen Fahnen, die unter den Klängen der russischen Nationalhymne "Russland, Russland" skandierten. Unabhängige Berichte dazu lagen nicht vor.