Streik an Italiens Küste Stillstand im Strandbad
Dieser Strand wird bestreikt: Italiens Strandbäder öffneten heute Morgen mit Verspätung. Die Betreiber sind auf die EU sauer, weil die im Geschäft mit Sonnenschirm und Liege mehr Wettbewerb durchsetzen will.
Das Strandbad Belsito, am Strand von Ostia, wenige Kilometer vom römischen Stadtzentrum entfernt: Jeden Morgen spannen Edoardo Moscara und seine Mitarbeiter die grünen Schirme auf, etwa 230 sind es. Sie klappen die grünen und roten Liegen auf - 700 an der Zahl. Und kümmern sich erst um die kleinen weißen Holzhäuschen, um das Volleyballfeld, dann um die Badegäste.
Es ist ein Familienunternehmen, mittlerweile in dritter Generation - auch seine Kinder arbeiten im Strandbad, erzählt Moscara. Das alles könnte bald zu Ende sein. Denn Italien muss nach langem Widerstand eine EU-Richtlinie umsetzen und die Konzessionen für die Strandbäder international neu ausschreiben.
Bisher wurden diese Konzessionen meist einfach automatisch verlängert - oft für wenig Geld. Viele Strandbadbetreiber haben seit Generationen in "ihre" Strandbäder investiert, Schwimmbäder oder Häuschen auf dem Gelände gebaut. Jetzt haben sie Angst, nach der nächsten Ausschreibung ohne alles dazustehen.
"Nicht in der Lage, mit Hotelketten zu konkurrieren"
"Wir sind nicht in der Lage, mit Unternehmensgruppen, Hotelketten oder ähnlichem zu konkurrieren. Oder mit jemandem, der keine wirtschaftlichen Probleme hat, mit jemandem, der - wenn er gewinnt und dann die Konzession bald wieder verliert - kein Problem damit hätte, 500.000, 600.000 oder 700.000 Euro auszugeben", sagt Edoardo Moscara.
Er wolle nicht behaupten, dass die "Unterwelt, die Mafia oder so jemand" interessiert sein könnte, "aber das Risiko" bestehe.
In Ostia bei Rom blieb das Strandbad am Morgen vorübergehend geschlossen.
Umweltschützer sehen Chance
Das Geschäft mit dem Strand ist lukrativ: Für zwei Liegen und einen Sonnenschirm zahlt man in Strandbädern schon mal 30 Euro am Tag. Die Zeitung Corriere della Sera schätzt den Jahresumsatz der gesamten Branche auf bis zu 30 Milliarden Euro. Mehr als die Hälfte der Strände von Ostia werden kommerziell betrieben - sind also Strandbäder.
Für Sebastiano Venneri vom Umweltverband Legambiente ist das ein Ärgernis. Aus seiner Sicht müsste mindestens die Hälfte der Strände in jeder Gemeinde frei zugänglich sein: "Das Dramatische an Ostia ist, dass der komplette Küstenabschnitt der Gemeinde von Strandbädern bedeckt ist, die sogar den Blick auf das Meer verhindern. Und warum haben sich die Strandbäder so enorm ausgebreitet? Weil die Konzessionen immer wieder automatisch verlängert wurden - Jahr für Jahr."
Weil die Betreiber davon ausgegangen seien, dass die Konzessionen sowieso automatisch verlängert werden würden, hätten viele von ihnen investiert, auf dem Strand, Schwimmbäder, Geschäfte, Restaurants oder Fitnessstudios gebaut. Das schade nicht nur der Umwelt, sagt Venneri. Das sei auch ungerecht: Weil die Konzessionen so günstig seien, hätten die Strandbadbetreiber einen Vorteil im Vergleich zum Fitnessstudiobetreiber um die Ecke.
Dass diese automatischen Verlängerungen ein Ende haben, ist für Venneri also eher eine Chance: Er hofft, dass insgesamt weniger Konzessionen für Strandbäder vergeben werden und mehr Strandabschnitte frei zugänglich werden.
Der Umweltschützer sieht dabei auch die Regierung in der Pflicht. Er fordert, die neuen Ausschreibungen so zu gestalten, dass nicht die Bewerber gewinnen, die am meisten für die Konzessionen bezahlen, sondern diejenigen, die umweltfreundlich arbeiten: "Es gewinnt der, der erneuerbare Energien nutzt, Mülltrennung macht, plastikfrei ist, rauchfrei ist, Lebensmittel aus der Region nutzt. Damit hätten auch italienische Unternehmen die Möglichkeit, wettbewerbsfähig zu sein."
Richtlinie seit 20 Jahren nicht umgesetzt
Doch momentan weiß noch keiner, wie die neuen Regelungen für die Konzessionen aussehen sollen, obwohl Italien diese EU-Richtlinie seit fast 20 Jahren umsetzen soll. Aber Italien hat sich immer wieder darum herumgemogelt, die Strandbadbetreiber sind ein wichtiges Wählerklientel.
Mittlerweile haben auch der Europäische Gerichtshof und die höchste italienische Verwaltungsinstanz, der Staatsrat, entschieden, dass Italien die Konzessionen jetzt aber wirklich ausschreiben muss. Es ist gerade diese Unsicherheit, wie es weitergeht, die Strandbadbetreiber Edoardo Moscara so stört.
"Wir streiken, um zu verstehen, was wir mit unserem Leben, unserem Unternehmen, unseren Verwandten anfangen sollen. Wir haben investiert, auch für unsere Kinder - und jetzt wissen wir nicht, was im Oktober passieren wird", sagt er.
Schon seit Jahren fragten sie nach einer Regelung. "Sie sollen uns die Regeln sagen und dann entscheiden wir, ob es sich lohnt, weiterzumachen, oder ob wir einen anderen Job machen müssen", sagt Moscara.
Wenn die Regierung untätig bleibt, wollen er und seine Mitstreiter wieder streiken. Heute dauerte der Streik lediglich bis 9.30 Uhr. Am 19. August sollen die Strandbäder immerhin bis 10.30 Uhr geschlossen bleiben.