US-Luftangriff in Syrien "Strafaktion mit Bedacht"
Der US-Militärschlag in Syrien ist mit Bedacht ausgeführt worden, so NDR-Militärexperte Andreas Flocken. Er sieht darin eine Strafaktion Trumps nach dem Giftgaseinsatz. Ob sich Assad dadurch einschüchtern lassen werde, hänge vor allem von Russland ab.
tagesschau.de: Steckt hinter dem US-Militärschlag in Syrien eine Strategie?
Andreas Flocken: Nein, da steckt kein Konzept dahinter. Das ist eine relativ schnelle und spontane Strafaktion. Wir haben vorher von US-Präsident Trump und seiner Administration noch ganz andere Töne gehört. Da hieß es, das syrische Volk müsste darüber entscheiden, wie es mit Assad weitergeht. Nach dem Chemiewaffenangriff wird nun eine Kehrtwende gesehen: Trump hat selber von roten Linien gesprochen, die mehrmals überschritten worden seien. Obama hatte damals auch von roten Linien gesprochen, dann aber nicht reagiert. Trump will nun zeigen, dass er reagiert und hat deshalb diesen Militärschlag angeordnet, um auch nach innen zu zeigen: Ich bin anders als Obama. Ich agiere und rede nicht nur.
tagesschau.de: Gehen Sie davon aus, dass es bei diesem einen Militärschlag bleiben wird?
Flocken: Ich vermute schon, dass es erst einmal bei diesem einen Militärschlag bleiben wird. Natürlich haben die Militärs noch andere Optionen angeboten, aber wir sehen auch, dass dieser Militärschlag mit Bedacht gewählt ist: Es ist ein Luftwaffenstützpunkt angegriffen worden, von dem aus die Flugzeuge gestartet sein sollen, die Chemiewaffen abgefeuert haben sollen. Man hat die Russen auch vorab informiert. Und man hat ganz bewusst auf Marschflugkörper gesetzt: Die fliegen sehr niedrig, so dass die Gefahr einer Kollision mit anderen Flugzeugen sehr gering ist. Und sie sind sehr zielgenau und aus militärischer Sicht sehr zuverlässig. Ich sehe durchaus die Absicht, hier eine Strafaktion durchzuführen, um zu zeigen: Wir sind nicht untätig.
tagesschau.de: Wird sich Assad von diesem Luftangriff einschüchtern lassen?
Flocken: Das kommt darauf an, wie Russland reagiert. Assad wird mit Sicherheit jetzt auch sehen, dass Trump es ernst meint - anders als es bei Obama der Fall war. Obama reagierte nicht unmittelbar, obwohl er viel angekündigt hatte. Insofern weiß Assad jetzt, dass Militärschläge durchaus möglich sind von Seiten der USA und er nicht mehr so agieren kann, wie er bisher agiert hat.
tagesschau.de: Hat Trump Recht damit, wenn er Obama bzw. dessen Syrien-Politik mitverantwortlich macht?
Flocken: Das ist schwer zu sagen. Richtig ist natürlich, dass sich Assad bisher ziemlich sicher gefühlt hat, dass die Amerikaner im Grunde genommen nicht reagieren würden, weil Assad die roten Linien überschreiten konnte und von Seiten der USA nichts passiert ist. Das ist jetzt anders - und deswegen ist das Kalkül möglicherweise auch ganz anders, weil wiederum Russland vermutlich auch Druck auf Assad hinter den Kulissen ausüben wird. Denn Russland kann kein Interesse an einer weiteren Eskalation des Konfliktes und an einer Konfrontation mit den USA in Syrien haben. Insofern ist es zwar nach außen viel Rhetorik, aber intern werden die Russen stärker auf Assad zugehen und Druck ausüben, damit er den Amerikanern nicht mehr Anlass zu Militärschlägen gibt.
tagesschau.de: Kann mit dem Militärschlag nun eine politische Lösung wieder Erfolg haben?
Flocken: Langfristig könnte das so sein, muss es aber nicht. Das hängt davon ab, wie die Akteure jetzt darauf reagieren: ob die Militärschläge begrenzt sind, ob Russland nun auch wirklich Druck ausübt auf Assad. Aber ich halte es von der Interessenlage denkbar, dass nun eine politische Lösung einen Impuls durch die Militärintervention erhalten könnte. Es besteht eine Chance, da keine Seite ein Interesse an einer Eskalation haben kann.