US-Angriff in Syrien "Das ist keine Sicherheitspolitik"
Der Angriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt werde nicht zu einem vollen Eintreten der USA in den Syrien-Krieg führen, erklärt Sicherheitspolitik-Experte Christian Mölling. Im Interview mit tagesschau.de spricht er über Trumps Strategie und Putins Reaktion.
tagesschau.de: Welche Strategie steckt hinter dem US-Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt der syrischen Regierung?
Christian Mölling: Darüber kann man derzeit nur spekulieren - denn die amerikanische Regierung hat sich bislang noch nicht zu ihren Zielen geäußert. Deshalb kann man auch noch nicht von einer Strategie sprechen. Dafür braucht es mehr, als ein paar dutzend Marschflugkörper abzufeuern.
tagesschau.de: Welche Gründe für den Einsatz halten Sie denn für denkbar?
Mölling: Es könnte der US-Regierung darum gehen, das Assad-Regime von einem weiteren Einsatz von Chemiewaffen abzuschrecken. Der Luftschlag kommt ja nur wenige Tage, nachdem die syrische Armee Giftgas bei einem Angriff eingesetzt hat. Es ist jedoch auch denkbar, dass Präsident Trump sich durch den Einsatz vor allem innenpolitisch von seinem Amtsvorgänger absetzen will. Trump hat Obama in der Vergangenheit ja häufig für sein Handeln im Syrien-Krieg kritisiert.
tagesschau.de: Nicht nur Trump hielt es für einen Fehler, dass Obama 2012 den Einsatz von Massenvernichtungswaffen zur Roten Linie erklärte, dann aber nach einem Giftgasangriff nicht militärisch eingriff. Korrigiert Trump hier womöglich einfach Obamas Fehler?
Mölling: So einfach ist es nicht. Die Situation, vor der Obama damals stand, wird heute sehr verkürzt dargestellt. Auf den Chemiewaffeneinsatz des syrischen Regimes folgte sehr schnell eine diplomatische Initiative Russlands, die der Drohung eines amerikanischen Militärschlags den Wind aus den Segeln genommen hat - zumal ja kaum ein Land bereit war, den USA zu folgen. Dass Trump sich von Obama absetzen will, ist klar. Aber das ist Innenpolitik, keine Sicherheitspolitik.
tagesschau.de: Präsident Trump hat sich in der Vergangenheit durchaus unterschiedlich über den Syrien-Konflikt geäußert. Können Sie mittlerweile eine Linie seiner Regierung in dieser Frage erkennen?
Mölling: Derzeit noch nicht. Es ist noch vollkommen unklar, welche Ziele Trump in Syrien und im gesamten Mittleren Osten verfolgt - einzig, dass die Bekämpfung der Terrororganisation IS für ihn ein wesentliches Ziel ist, zieht sich als klare Linie vom Wahlkampf bis in seine Amtszeit. Alles Weitere steht in den Sternen. Und nach den vergangenen Wochen und Monaten mit diesem Präsidenten sollte niemand überrascht sein, wenn sich die Zielsetzung auch noch einmal um 180 Grad dreht.
tagesschau.de: Erwarten Sie, dass die US-Außenpolitik so erratisch bleibt?
Mölling: Man darf zumindest hoffen, dass sie in absehbarer Zeit etwas verlässlicher wird. Wir sehen, dass in Washington derzeit im Hintergrund einige Veränderungen stattfinden. So wurde beispielsweise der Nationale Sicherheitsrat gerade erst wieder umgebaut, was die Ideologen in der Trump-Regierung schwächt und die klassischen Sicherheitspolitiker stärkt. Das könnte bedeuten, dass die USA wieder zu einer verlässlicheren Außenpolitik zurückkehren. Das ist zumindest meine Hoffnung - auch wenn Berechenbarkeit in den vergangenen Monaten leider nicht das Markenzeichen dieser Administration war.
tagesschau.de: Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Luftschlag scharf verurteilt. Was bedeutet der Angriff für die russisch-amerikanischen Beziehungen?
Mölling: Die Annäherung der beiden Staaten, die einige Beobachter durchaus erwartet hatten, dürfte durch den Luftschlag zunächst ausgebremst worden sein. So ganz eindeutig ist das allerdings nicht. Schließlich hat die russische Seite bislang nicht erklärt, dass sie künftig nicht mehr mit den USA zusammenarbeiten wird. Damit blieb die Verurteilung des Luftschlags hinter dem zurück, was diplomatisch möglich gewesen wäre.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Russen durchaus Verständnis dafür haben, dass die USA auf den Einsatz von Giftgas reagieren mussten. Man muss auch sehen, dass auch die Trump-Regierung nur mit relativ begrenzten Mitteln zugeschlagen hat. Der Luftschlag traf nur ein genau definiertes Ziel. Das zeigt schon, dass es den USA anscheinend nicht darum geht, die syrische Armee zu zerschlagen, sondern gezielt Vergeltung zu üben. Das können die Russen tolerieren. Ein großflächiger Einsatz der US-Streitkräfte im Mittleren Osten ist hingegen nicht im russischen Interesse - schließlich ist Moskau ja gerade dabei, seinen eigenen Einfluss in der Region auszubauen.
tagesschau.de: Könnte denn ein solches größeres Engagement der USA auf diesen Luftschlag folgen?
Mölling: Dass die US-Armee voll in den Syrien-Krieg einsteigen wird, glaube ich nicht. Man ist immer noch in Afghanistan, man ist immer noch im Irak. Auch wenn die Trump-Regierung sich von Obama absetzen will, gibt es überhaupt keinen Appetit, sich in einem dritten Konfliktherd im großen Stil zu engagieren. Zumal der Syrien-Konflikt ja so undurchsichtig ist, dass ein Alleingang der USA ihn kaum lösen könnte. Und Unterstützung von ihren internationalen Partnern hat die US-Regierung zumindest öffentlich bislang nicht eingefordert.
Hinzu kommt, dass die USA natürlich schon heute eine große Rolle in der Region spielen. Amerikanische Verbände sind im Irak und in Jordanien stationiert. Hinzu kommt die Anti-IS-Koalition, die auch in Syrien tätig ist. Hier wurde der Einsatz von US-Truppen unter Trump zuletzt noch einmal deutlich erhöht. Die USA sind im Mittleren Osten also schon jetzt voll dabei.
Das Interview führte Julian Heißler, tagesschau.de