Zustimmung im Senat nach langem Streit Tschechien stimmt für EU-Reform
Der EU-Reformvertrag von Lissabon hat eine wichtige Hürde genommen: Der tschechische Senat stimmte nach langem Streit für das Dokument - sogar überraschend deutlich. Der noch amtierende Premier und EU-Ratspräsident Topolanek überzeugte die Senatoren zum Schluss mit kühlen Kosten-Nutzen-Rechnungen.
Der EU-skeptische tschechische Staatschef Vaclav Klaus allerdings bleibt dabei: Er will den Lissabon-Vertrag vorerst nicht unterzeichnen.
Von Christina Janssen, ARD-Hörfunkstudio Prag
Es war ein Kampf um jede Stimme – doch am Ende fiel die Entscheidung überraschend deutlich aus. Und das Ergebnis wurde mit Pomp verkündet. 54 der 79 anwesenden Senatoren stimmten im Senat, der zweiten Kammer des tschechischen Parlaments, für die Reform der EU.
Nüchterne Kosten-Nutzen-Rechnung
Damit ist die wichtigste Hürde in Tschechien, das neben Irland der Wackelkandidat war, genommen. Der scheidende Premier Mirek Topolanek hatte sich in seiner Rede vor den Senatoren bemüht, die Debatte zu versachlichen. Es gehe um Kosten und Nutzen, so Topolanek, der früher selbst dem EU-skeptischen Lager angehörte. "Sicher, das Stimmengewicht Tschechiens in der EU wird durch den Vertrag geschmälert", räumte er ein. Aber das sei eben der Preis für Tschechiens EU-Mitgliedschaft. "Mit einem 'Nein' zu Lissabon würden wir die Türen für unsere östlichen Nachbarn zuschlagen, die noch Mitglied der EU werden wollen. Das würde uns alle wieder in die Arme Russlands treiben", warnte Topolanek.
"Vertrag mit nebulösen Formulierungen"
Die EU-Gegner wiederholten noch einmal ihre alten Argumente: Tschechien drohe durch den Lissabon-Vertrag der Verlust an Kompetenzen und Souveränität. Und die großen EU-Länder wie Frankreich oder Deutschland könnten nach Belieben bestimmen und die Kleinen dirigieren. "Hier geht es um das Ziel eines europäischen Superstaates, den niemand will", sagte der konservative Senator Jiri Oberfalzer. "Niemand hat die Bevölkerungen in den Mitgliedsländern dazu befragt. Wenn man das tun würde, wäre die Antwort 'Nein'. Deswegen spielt sich diese ganze Sache unter dem Deckmantel des Lissabon-Vertrages und seiner nebulösen Formulierungen ab."
Schließlich konnte sich der noch amtierende Premier und EU-Ratspräsident Topolanek aber mit seinen Argumenten durchsetzen. Rund ein Dutzend Senatoren aus seiner Partei, die den Lissabon-Vertrag eigentlich ablehnen, stimmten doch dafür.
Iren unter Zugzwang?
Die Entscheidung könnte neue Dynamik in die europaweite Debatte bringt. Denn durch die Zustimmung in Tschechien steht nun Irland unter Zugzwang. Die Iren, die den Lissabon-Vertrag 2008 in einem Referendum abgelehnt hatten, sollen im Herbst noch einmal abstimmen.
Gegen Klaus' europakritischen Kurs
Der Politologe Jiri Pehe, Direktor der New York University in Prag, sieht das positive Prager Votum allerdings auch als Botschaft an Präsident Vaclav Klaus. Die beiden großen Parteien im Land, so Pehe, ziehen nun an einem Strang – gegen den Präsidenten und seinen europakritischen Kurs. "Jetzt ist nicht mehr nur eine Partei, , die Sozialdemokraten, gegen Vaclav Klaus, sondern auch seine frühere Partei, die Bürgerdemokraten, unter der Führung von Topolanek. Klaus muss jetzt sehr vorsichtig sein: Wenn er versucht, die beiden großen Parteien zu provozieren, dann werden sie ihm das spätestens nach den vorgezogenen Neuwahlen im Oktober in barer Münze heimzahlen."
Die Zeiten, in denen EU-Kritiker Vaclav Klaus in Tschechien in Sachen Europa den Ton angibt, scheinen also erst einmal vorbei. Ob und wann er den Reformvertrag unterzeichnen will, hat der Präsident bislang aber offen gelassen. Er will damit die Entscheidung in Irland abwarten.