Hintergrund TTIP Viele Fragen um vier Buchstaben
TTIP - vier Buchstaben, die für viel Wirbel sorgen. Doch was verbirgt sich hinter dem so umstrittenen Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU? Welche Hoffnungen hegen Befürworter und was befürchten die Kritiker?
Seit dem Sommer 2013 wird über das "Transatlantic Trade and Investment Partnership"-Abkommen - kurz TTIP - verhandelt. Vorbild bei den Verhandlungen ist das bereits ausgearbeitete, aber noch nicht ratifizierte Abkommen CETA ("Comprehensive Economic and Trade Agreement") zwischen Europa und Kanada.
Mit Hilfe des Deals zwischen der EU und den USA soll die weltweit größte Freihandelszone geschaffen werden, von der rund 800 Millionen Verbraucher profitieren sollen. Ziel ist eine stärkere Öffnung der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks. Durch den Wegfall von Zöllen und vereinfachten Vorschriften soll der Handel, also der gegenseitige Import und Export, angekurbelt werden.
Was sagen die Befürworter?
Eine durch TTIP gestärkte Konjunktur bedeutet aus Sicht der TTIP-Anhänger auch einen gestärkten Arbeitsmarkt. TTIP sichere Aufträge und damit Jobs. Laut einer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellten Studie des Ifo-Institutes werden allein in Deutschland dank TTIP rund 110.000 neue Stellen geschaffen, außerdem werde das reale Einkommen langfristig um etwa 4,7 Prozent steigen.
Eine andere These der Befürworter: TTIP lässt die Preise purzeln. Durch den Wegfall der Zölle sollen die Produkte günstiger werden.
Außerdem hoffen die Befürworter, dass sich die durch das Abkommen angeglichenen Standards im Handel zwischen der EU und den USA auf den internationalen Markt auswirken. Andere Länder müssten also sprichwörtlich mitziehen, um mitzuhalten.
Was sagen die Kritiker?
TTIP sichere keine Jobs, es gefährde sie sogar, argumentieren die Gegner. Durch den erleichterten Marktzugang für US-Unternehmen auf dem europäischen Markt werde eine verschärfte Konkurrenz geschaffen, was bei EU-Konzernen zu Umsatzeinbußen und demzufolge auch zu Stellenstreichungen führen könne. Kritische Forscher bemängeln zudem, dass das versprochene Wirtschaftswachstum runtergerechnet pro Jahr nur ein Plus von 0,05 Prozent bringen würde.
Auch der Bund der Afrikanischen, Karibischen und Pazifischen Staaten (AKP) befürchtet den Verlust von Aufträgen, die künftig eher an die USA vergeben werden könnten. Den TTIP-Kritikern zufolge könnte ein solcher Effekt vor allem Dritt- und Schwellenländer treffen und sie wirtschaftlich vom Markt verdrängen. Dadurch werde TTIP die Kluft zwischen Arm und Reich noch vertiefen.
Angeglichene Standards bedeuten in den Augen von Umwelt- und Verbraucherschützern, Sozialverbänden und Gewerkschaften das Risiko, dass Regelungen im Sozial- oder Gesundheitsbereich zugunsten der Wirtschaft auf geringerem Niveau aufgeweicht werden. Hier hat die EU teils aber bereits eingelenkt und will beispielsweise auch künftig den Import des sogenannten "Chlorhühnchens" verbieten. Das "Chlorhuhn" ist zum Symbol für die Ablehnung von TTIP avanciert. Denn in den USA wird Schlachtgeflügel zur Desinfektion mit Chlordioxid begast, wodurch Salmonellen und anderen gefährlichen Erregern der Garaus gemacht wird. In Europa ist die Methode verboten. Gesundheitliche Gefahren durch die Chlor-Behandlung sind allerdings nicht bekannt.
Nach Ansicht der Kritiker könnte TTIP Unternehmen auch rechtlich mehr Druckmittel in die Hände geben. Denn ein Konzern kann im Rahmen des Investitionsschutzabkommens (ISDS) Klage gegen einen Staat einreichen, wenn er sich in seinen Rechten diskriminiert sieht. Diese Klage würde dann vor einem Schiedsgericht geklärt werden. Kritiker glauben, Firmen könnten diesen Umstand ausnutzen, um Gesetze unter Androhung einer Klage zu verhindern oder zu verwässern.
TTIP-Dokumente - die Fakten
Ein weiterer Kritikpunkt ist die mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen über das Abkommen. An diesem Punkt hat die Umweltorganisation Greenpeace nun angegriffen und geheime Dokumente zu den Verhandlungen über TTIP enthüllt. Aus den 248 Seiten geht hervor, dass die US-Regierung Europa bei den Verhandlungen deutlich stärker unter Druck setzt als bisher bekannt.
So verlangen die USA beispielsweise, dass die Europäer Zölle auf Agrarprodukte senken und mehr Lebensmittel kaufen, die in den USA produziert werden. Im Gegenzug stellen sie Europas Autoherstellern in Aussicht, US-Zölle für ihre Fahrzeuge komplett zu streichen.
Zudem belegen die Dokumente, dass die Amerikaner weiter an den umstrittenen privaten Schiedsgerichten festhalten. Allerdings sollen die Gerichte transparenter sein als bisher, indem sie Verhandlungen live im Internet übertragen. Öffentliche Richter und die Möglichkeit in Berufung zu gehen, lehnt die USA weiter ab.
Das europäische Vorsorgeprinzip könnte dem amerikanischen Risikoprinzip weichen. Nach EU-Regularien sind genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel derzeit nur zulässig, so lange sie für Mensch und Umwelt wissenschaftlich nachgewiesen unschädlich sind. Beim Risikoprinzip könnte alles auf den Markt gebracht werden, bis die Schädlichkeit eines Produktes von der Forschung eindeutig belegt ist.