Europawahl 2024
Handelspolitik im Europaparlament Freihandel als Machtfrage
Die Handelspolitik könnte dem Europaparlament in den nächsten Jahren viel Aufmerksamkeit verschaffen. Denn falls sich EU und USA auf ein Freihandelsabkommen einigen, müssten die Abgeordneten zustimmen. Wie sie entscheiden, ist ungewiss.
Handelsabkommen schaffen es selten ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Und Abstimmungen darüber im Europäischen Parlament gleich gar nicht, obwohl das Parlament in der vergangenen Legislaturperiode - durch den Vertrag von Lissabon - in der Handelspolitik vom bloßen Zuschauer zum wichtigen Akteur geworden ist. "Jedes Handelsabkommen, das in Kraft treten soll, muss vom EP eine Zustimmung bekommen", sagt Daniel Caspary, der handelspolitische Sprecher der konservativen Fraktion im Parlament. Zudem müssten die Parlamentarier während der gesamten Verhandlungen informiert werden.
Viel Aufmerksamkeit für TTIP
In der nächsten Legislaturperiode könnte diese neu gewonnene Kompetenz in Handelsfragen dem Parlament viel Publicity einbringen. Nämlich, wenn die laufenden Verhandlungen über das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen zu einem Abschluss gebracht werden sollten und dann das Parlament "Ja" oder "Nein" sagen muss. Denn dieses Abkommen treibt derzeit viele Menschen auf die Barrikaden. Aus der Sorge heraus, dass die Amerikaner den Europäern Chlorhühnchen, Hormonfleisch, Genmais und andere ungewollte Dinge aufzwingen.
Auch im Europäischen Parlament scheiden sich an TTIP - der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft - die Geister. CDU-Mann Caspary ist ein großer Verfechter von TTIP - schon aus strategischen Erwägungen, um in der globalisierten Welt besser gegen China, Indien und Co bestehen zu können: "Da ist es ganz wichtig , dass sich die großen beiden westlichen Demokratien Europa und die USA besser zusammenzuschließen", sagt er. Denn es gehe darum, in der globalisierten Welt gemeinsame Werte und Standards zu verteidigen und sich gegen die Wettbewerber besser aufzustellen.
Streit über Investitionsschiedsgericht
Auch bisherige EU-Freihandelsabkommen hätten unterm Strich hierzulande Arbeitsplätze geschaffen. Deutschland könne seinen Wohlstand nur durch eine aktive Teilnahme an der Globalisierung bewahren, so Caspary. Auch der handelspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion, Bernd Lange, verbindet gewisse Hoffnungen mit dem EU-USA-Handelsabkommen. Aber er sieht auch etliche Fallstricke: "Die Frage eines Investitionsschiedsgerichts außerhalb der normalen Gerichte, vor dem Konzerne gegen staatliche Gesetzgebung klagen können, ist mit uns überhaupt nicht zu machen", sagt er.
Diese Investitionsschiedsgerichte sind auch für die grüne Handelsexpertin Ska Keller ein rotes Tuch. Und ganz generell macht sie aus ihrer Abneigung gegen TTIP keinen Hehl. "Es fängt damit an, dass die Verhandlungen völlig intransparent verlaufen und wir als Parlament keinen Zugang zu irgendwelchen Dokumenten haben", sagt sie. Da widerspricht SPD-Mann Lange. Zumindest die Mitglieder im Handelsausschuss des Parlaments würden umfassend informiert. Aber das reiche nicht. "Ich glaube, wir müssen alle zentralen Dokumente veröffentlichen, damit die Zivilgesellschaft auch weiß, worüber verhandelt wird", sagt er. "Wir brauchen noch viel, viel mehr Transparenz."
ACTA als Vorbild
Aber wird das Parlament wirklich den Mut aufbringen, ein fertig verhandeltes Abkommen mit den USA zu kippen? Bernd Lange glaubt daran und verweist auf das sogenannte ACTA-Abkommen. Mit dem Abkommen sollte 2010 das geistige Eigentum weltweit besser gegen Piraterie geschützt werden. "Obwohl die Europäische Kommission und 28 Regierungen dafür waren, haben wir gesagt 'Nein, das schränkt die Freiheit im Internet ein und macht die Provider zum Hilfssheriff.'"
Die Grüne Ska Keller ist da wesentlich weniger zuversichtlich, was die Entschlossenheit des Parlaments betrifft. "ACTA zeigt auf jeden Fall, dass das Parlament die Macht hat und diese auch nutzen kann", sagt sie. "Die Frage ist, ob es dies auch nutzen will - und leider sehen wir von anderen Fraktionen, den großen Fraktionen, den Konservativen und den Sozialdemokraten, noch nicht, dass sie dazu bereit wären." Aber vielleicht kommt es ja auch gar nicht zum Showdown im Parlament. Denn die Verhandlungen zwischen der EU und den USA gestalten sich ausgesprochen zäh.