Freihandelsgespräche mit den USA Chance oder Gefahr für die EU?
Die einen erhoffen sich ein neues Wirtschaftswunder, die anderen fürchten einen Werteverlust. Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten ist umstritten. Heute trifft sich zum ersten Mal in Brüssel eine Expertengruppe, die die EU-Kommission in den Verhandlungen mit den USA beraten soll.
Hormonfleisch und Genprodukte aus den USA massenhaft in europäischen Supermärkten? Verbraucherschützer befürchten, dass das mit einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA kommen könnte.
Zu ihnen gehört Monique Goyens von der Europäischen Verbraucherschutzorganisation in Brüssel: "Wir glauben, dass das europäische System besser ist als das US-Amerikanische. Doch wir befürchten, dass durch den Verhandlungsdruck der amerikanischen Nahrungsmittelindustrie und Landwirte die Vorschriften in Europa verwässert werden." Das würden sehr viele Verbraucher spüren: rund 800 Millionen Menschen in der EU und den USA.
Profitabel für Exporteure
Mit dem geplanten Freihandelsabkommen sollen auch Zölle fallen. Davon würden vor allem Unternehmen profitieren, die Waren exportieren. Und das wiederum könnte neue Arbeitsplätze schaffen. Wirtschaftsverbände sind deshalb dafür.
Ein Freihandelsabkommen könnte aber auch bedeuten, dass unterschiedliche Produktstandards gleich gemacht werden, egal ob bei Nahrungsmitteln oder Autos, und dass es neue rechtliche Regeln geben könnte.
Umkämpft beim Investitionsschutz
Besonders heiß umkämpft sei der Investitionsschutz, sagt Jos Dings, Direktor des Europäischen Verbands für Verkehr und Umwelt: "Zum Beispiel will die deutsche Regierung eine Energiewende für mehr nachhaltige Energie. Wenn Sie nun ein amerikanisches Unternehmen sind, dass konventionellen Strom herstellt, dann hätten Sie, nach den derzeit diskutierten Regeln, das Recht, diese deutsche Entscheidung anzuzweifeln. Und zwar auf der Grundlage, dass die Investition in Kohle deutlich weniger wert wäre und Sie das ungerecht und unangemessen finden."
Ausländische Konzerne könnten danach EU-Länder vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten auf hohen Schadensersatz verklagen. Jos Dings will das nicht. Er ist einer von 14 Experten, die die EU-Kommission beraten.
"Schönfärberei ist sicher mit dabei"
Doch welchen Einfluss hat die Beratergruppe auf die Freihandelsgespräche? "Hoffnungen, dass wir alles komplett umkehren oder eine totale Kehrtwende bei den Gesprächen herbeiführen, haben wir nicht. Das wäre wohl ein bisschen übertrieben. Und damit wäre der Einfluss dieser Beratergruppe überschätzt", sagt Dings.
Keine ergebnisoffene Beratung? Das riecht danach, dass sich die EU-Kommission nach viel Kritik an den Freihandelsgesprächen ein transparenteres Image zulegen möchte. Außerdem fällt auf, dass die Mitglieder der Beratungsgruppe offenbar sorgsam ausgewählt wurden. Sie stammen aus Wirtschaft, Gewerkschaften oder Verbraucherschutzorganisationen und decken damit ein breites Meinungsspektrum ab.
"Schönfärberei ist sicher mit dabei, so dass die Kommission sagen kann, wir haben uns mit allen beraten. Also haltet die Klappe! Aber das ist nicht, was wir tun werden. Wir haben absolut klar gemacht, dass uns als Beratergruppe nichts davon abhält, Dinge öffentlich zu machen", sagt Dings.
Abkommen frühestens Ende 2015
In Brüssel sind viele skeptisch, ob ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA bereits im nächsten Jahr abgeschlossen werden könnte. Und 2016 wird es ganz kritisch, denn dann wird in den USA ein neuer Präsident gewählt.
Monique Goyens von der Europäischen Verbraucherschutzorganisation meint deshalb: "Wir glauben nicht, dass es vor 2015 eine Vereinbarung geben wird, weil es sehr viele kontroverse Aspekte gibt. Außerdem gibt es kein Abkommen, wenn nicht alle zugestimmt haben."
Das geplante Freihandelsabkommen muss auf beiden Seiten des Atlantiks abgesegnet werden: vom EU-Parlament und vom US-Senat. Ende März kommt übrigens US-Präsident Obama nach Brüssel. Er will, wie man hört, ein bisschen Schwung in die Verhandlungen bringen.