Freihandelsabkommen zwischen EU und USA Gabriel für mehr Transparenz bei TTIP
Das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA sorgt zunehmend für Kritik. NGOs überreichten Wirtschaftsminister Gabriel eine Protestliste mit 470.000 Unterschriften. Der will nun nachbessern und fordert eine Abstimmung der nationalen Parlamente.
Von Angela Ulrich, ARD-Hauptstadtstudio Berlin
Maritta Strasser vom Kampagnennetzwerk "Campact" zieht sich den roten Kapuzenpulli zurecht. Sie hat Sigmar Gabriel gerade drinnen in der stuckverzierten Aula des Bundeswirtschaftsministeriums eine Zahl um die Ohren gehauen: 470.000. So viele Unterschriften hat "Campact" gegen das geplante Freihandelsabkommen mit den USA gesammelt. Dabei stört die Campaignerin vor allem fehlende Transparenz: "Angesichts eines so breiten Themenspektrums und einem so mächtigen Potenzials in so viele Bereiche unseres Lebens einzugreifen, muss die Zivilgesellschaft an diesen Verhandlungen beteiligt werden. Die muss erfahren, was auf dem Tisch liegt."
"Zentrale Voraussetzung: Mehr Transparenz"
Der Bundeswirtschaftsminister schaut zwar etwas zerknittert, trotz aller Sonnenbräune, aber er gibt dann doch zu: "Die Tatsache, dass es inzwischen eine Massenbewegung gegen etwas gibt, was wir nirgendwo nachlesen können, ist offensichtlich ein Beweis dafür, dass am Anfang Fehler gemacht worden sind. Mehr Transparenz ist einer der zentralen Voraussetzungen dafür, dass wir überhaupt vorankommen." Eine Möglichkeit sei deshalb, dass nationale Parlamente über das Freihandelsabkommen abstimmen.
So viel Öffentlichkeit wie möglich will Gabriel. Daher hat er zur Podiumsdiskussion in sein Haus eingeladen, und zwar beide Verhandlungsführer, aus den USA und aus Brüssel. Gabriel betonte: "In einem aufgeklärten Jahrhundert, wie dem 21. Jahrhundert, kann man solche schwierigen Verhandlungen nicht als Geheimverhandlungen führen." Doch die Position der USA will der US-Handelsbeauftragte Michael Froman nicht komplett offenlegen. Nur so viel: Das Freihandelsabkommen mit der EU sei "einfach notwendig".
Drohen sinkende Umweltstandards?
Die USA und die EU sind einander die größten Handelspartner. Allein die Automobilindustrie könne durch wegfallende Zölle rund eine Milliarde Euro im Jahr sparen, sagt Sigmar Gabriel. Und was ist mit Umwelt-Standards, mit Schutz, der dann abgesenkt werden könnte, bei Lebensmitteln, Chemie, Gentechnik? Gabriel winkt ab. Es ginge nicht darum, "die Standards in einem der beiden Länder zu senken, sondern sie gegenseitig anzuerkennen, um eine doppelte Prüfung und doppelte Kosten vermeiden zu können."
Karel de Gucht, Brüsseler Handelskommissar und Verhandlungsführer der EU, springt Gabriel zur Seite: "Amerikanische und europäische Verbraucher atmen die sauberste Luft, fahren die sichersten Autos und haben Zugang zu der innovativsten Medizinversorgung in der Welt. Wir müssen dafür sorgen, dass nichts in den Verträgen bestehenden Schutz verletzt, sondern neuer Schutz geschaffen wird."
Reizthema Investorenschutz
Schutz, der allerdings auch in die völlig falsche Richtung gehen könnte, fürchten Nicht-Regierungs-Organisationen. Dann nämlich, wenn Investoren Staaten verklagen können, weil ihnen politische Entscheidungen nicht passen. Mögliche Beispiele wären der Nichtraucherschutz oder der Atomausstieg, die die Industrie große Summen kostete. Dieses Geld, so die Befürchtung, könnten die Konzerne dann vor Schiedsgerichten einklagen.
Den USA ist dies wichtig. Sigmar Gabriel jedoch sperrt sich dagegen: "Was ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, ist ein Investitionsschutzabkommen, dass an irgendeiner Stelle deutsches Recht oder europäisches Recht aushebeln kann. Das ist für mich absolut unvorstellbar."
Maritta Strasser von "Campact" findet Gabriels Widerstand ganz richtig, fragt sich aber zweifelnd: "Wird er dann auch wirklich Nein sagen, wenn Abkommen fertig verhandelt ist und eben diese Investorenklagen vorsieht? Wird er dann auch zu seiner kritischen Position stehen?" Vorerst liegt dieser Teil der Verhandlungen jedenfalls auf Eis.