Säkulares Erbe Atatürks Türkei feiert Republik-Gründung vor 100 Jahren
Mit Militärparaden, Feuerwerk und Lichtershows feiert die Türkei die Gründung der Republik vor 100 Jahren. Kritikern sind die Feierlichkeiten zu klein - sie werfen Präsident Erdogan vor, das Erbe Atatürks zu untergraben.
Die Türkei hat die Gründung der Republik vor 100 Jahren durch Mustafa Kemal Atatürk gefeiert. Präsident Recep Tayyip Erdogan legte in der Hauptstadt Ankara einen Kranz am Mausoleum Atatürks nieder. Im ganzen Land gab es Veranstaltungen, an Gebäuden hingen rot-weiße türkische Flaggen sowie Porträts des Staatsgründers.
Vor dem Parlament in Ankara sowie in Istanbul wurde mit Militärparaden an den Gründungstag erinnert. Auch waren ein Schiffskonvoi auf dem Bosporus, Drohnen-Manöver, Feuerwerke und die Erleuchtung von Gebäuden wie der Hagia Sophia in Istanbul geplant. Atatürk hatte die Hagia Sophia einst zu einem Museum gemacht, Erdogan ließ sie aber im Jahr 2020 wieder in eine Moschee umwandeln.
Atatürks Reformen nach westlichem Vorbild
Am 29. Oktober 1923 - gut ein Jahr nach dem offiziellen Ende des Osmanischen Reiches - hatte der Offizier Atatürk die Republik ausgerufen. Er setzte Reformen nach westlichem Vorbild und einen streng säkularen Kurs durch - also die Trennung von Religion und Staat. Frauen erhielten in den 1930er-Jahren das aktive und passive Wahlrecht und können damit wählen und auch gewählt werden. Das arabische Alphabet wurde durch das lateinische ersetzt.
Bis heute besteht ein Personenkult um Atatürk (auf deutsch etwa: Vater der Türken). Umstritten ist er unter anderem wegen seiner Minderheitenpolitik. Aktuell sehen Kritiker sein Erbe gefährdet - sie werfen Präsident Erdogan vor, die Türkei zu islamisieren und damit die Ideologie des Staatsgründers zu unterlaufen. Der Präsident gilt als mächtigster Politiker seit Atatürk und glorifiziert in seinen Reden immer wieder das Osmanische Reich.
Vor allem Kritikern von Präsident Erdogan fallen die Feierlichkeiten zu klein aus.
Kritik wegen fehlendem Pomp
Auch am etwas kleineren Rahmen der heutigen Feierlichkeiten gab es deshalb Kritik: Der Mangel an Pomp zur Jahrestagsfeier sei ein Versuch, die Erinnerung an den Staatsgründer zu löschen. Es wurde erwartet, dass Erdogan in einer Rede am Jahrestag angebliche Errungenschaften seiner Regierung in den vergangenen 20 Jahren anführt.
Der Sender TRT gab bekannt, wegen des Kriegs zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas streiche er Sonderprogramme zum Jahrestag. Die Oppositionspolitikerin Meral Aksener warf der Regierung vor, dafür gesorgt zu haben, dass die Jahrestagfeier eine Enttäuschung sei. "Es gibt diejenigen, die nach 100 Jahren noch immer ein Problem mit unserer Republik haben", sagte sie. Sie mutmaßte, dass eine große pro-palästinensische Kundgebung mit Erdogan am Samstag extra dafür organisiert wurde, um die Jahrestagsfeierlichkeiten zu überschatten.
Ein Kolumnist der regierungsnahen Zeitung "Hürriyet", Ahmet Hakan, argumentierte hingegen, die Feier habe angesichts des israelischen Vorgehens im Gazastreifen klein gehalten werden müssen.