Reaktionen auf Ankündigung Russlands Ukraine glaubt nicht an den "Truppenabzug"
Entgegenkommen oder Täuschungsmanöver? In der Ukraine glaubt man nicht, dass Russland seine Militäraktivitäten rund um Kiew wie angekündigt verringert. Und auch in den USA und Westeuropa überwiegt die Skepsis.
Die ukrainische Regierung glaubt nicht, dass Russland tatsächlich in größerem Umfang Truppen aus Gegend um Kiew und Tschernihiw abzieht. Der "sogenannte Truppenabzug" sei eher eine Rotation von Einheiten, mit der die ukrainische Militärführung getäuscht werden solle, teilte der ukrainische Generalstab in der Nacht mit. Auch solle damit ein falsches Bild von dem angeblich eingestellten Plan zur Einkesselung Kiews geschaffen werden.
Zwar habe das russische Militär einige Einheiten aus der Umgebung von Kiew und Tschernihiw abgezogen, hieß es in dem Lagebericht des ukrainischen Generalstabs weiter. Doch gebe es Anzeichen, dass diese Einheiten an anderer Stelle im Osten der Ukraine eingesetzt werden sollen.
Russland will nach eigenen Angaben Vertrauen aufbauen
Nach einer Annäherung bei den russisch-ukrainischen Verhandlungen gestern in Istanbul hatte Russland als Zeichen des Entgegenkommens angekündigt, seine militärischen Aktivitäten in der Region Kiew und bei Tschernihiw im Norden "radikal" verringern zu wollen. Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin sagte, seine Regierung wolle so Vertrauen aufbauen und weitere Verhandlungen ermöglichen.
"Ukrainer sind nicht naiv"
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj äußerte sich skeptisch zu dieser Ankündigung. In einer Videoansprache am Abend sagte er, bei den Gesprächen zwischen einer ukrainischen und einer russischen Delegation in Istanbul habe es zwar positive Signale gegeben. "Diese Signale übertönen aber nicht die Explosionen russischer Geschosse." Realität sei, dass die ukrainischen Städte weiter belagert und beschossen würden. Daher seien die ukrainischen Streitkräfte "die einzige Garantie für unser Überleben".
An der Vertrauenswürdigkeit Russlands hat Selenskyj weiterhin große Zweifel: Die ukrainische Seite sehe keinen Anlass, den Worten von Vertretern eines Staates, die weiter an der Vernichtung der Ukraine arbeiteten, Glauben zu schenken, sagte er. "Ukrainer sind nicht naiv."
Botschafter: Auch Westen soll in die Irre geführt werden
Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, wertete die Ankündigung Russlands als "Täuschungsmanöver". Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er: "Wir glauben, diese 'versöhnliche' Rhetorik aus Moskau ist nichts anderes als Bluff und Nebelkerzen, um einerseits von der militärischen Blamage des Kreml in der Ukraine abzulenken." Zudem gehe es dem russischen Machthaber Wladimir Putin darum, "den Westen - auch Deutschland - in die Irre zu führen".
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
"Wir werden sehen, ob sie das umsetzen"
Die Regierungen westlicher Staaten reagierten zurückhaltend. Max Blain, Sprecher des britischen Premiers Boris Johnson, sagte: "Wir werden Putin und sein Regime an seinen Taten messen, nicht an seinen Worten". Ähnlich äußerte sich US-Präsident Joe Biden. Er wolle die Aussagen nicht bewerten, bis er "die Handlungen" der russischen Streitkräfte sehen werde. "Wir werden sehen, ob sie das umsetzen, was sie vorschlagen", sagte er.
Bis es eine tatsächliche Veränderung gebe, werde der Druck auf Moskau mit "harten Sanktionen" weiter aufrecht erhalten und auch das ukrainische Militär werde weiter unterstützt, sagte Biden. Mit Blick auf eine Schalte mit seinen Amtskollegen aus Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien vom Dienstag fügte Biden hinzu, es sei "Konsens" jetzt erst mal abzuwarten, was die Russen täten.