US-Wahl 2024
US-Wahl 2024 Die Mehrheit der Stimmen reicht nicht immer
Im US-Wahlsystem gibt es eine Besonderheit: Weil die Menschen ihren Präsidenten nicht direkt wählen, braucht man nicht zwangsläufig die Mehrheit der Stimmen, um an die Macht zu kommen.
Insgesamt fünfmal gab es die Situation bisher, zuletzt im Jahr 2016: Obwohl die Demokratin Hillary Clinton 2,5 Millionen Wählerstimmen mehr als ihr Konkurrent bekam, hieß der US-Präsident später Donald Trump. Wie kam es dazu?
Wähler entscheiden nur indirekt
Das liegt am Wahlsystem in den USA: Die Wählerinnen und Wähler können nicht direkt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Vielmehr entscheidet dies die Wahlversammlung, das "Electoral College". Es besteht aus insgesamt 538 Wahlleuten aus allen Bundesstaaten. Präsident wird, wer mindestens 270 Stimmen erhält. In jedem Bundesstaat gibt es eine bestimmte Anzahl von Wahlleuten, die von der Einwohnerzahl abhängt.
Jeder Bundesstaat stellt so viele Wahlleute wie er Abgeordnete - abhängig von der Bevölkerungsgröße - und Senatoren - zwei pro Bundesstaat - in den US-Kongress entsendet.
In Staaten mit vielen Menschen sind es also mehr: 54 Wahlleute entsendet Kalifornien. Dort, wo nicht so viele Menschen wohnen, sind es weniger: Drei Wahlleute hat etwa North Dakota.
Nicht jede Stimme zählt gleich viel
Dass jeder Bundesstaat zwei Senatoren und damit per se schon einmal zwei Wahlleute hat, führt dazu, dass die Staaten mit geringer Bevölkerungsdichte im Wahlkollegium verhältnismäßig stärker vertreten sind. So hat etwa Wyoming drei Wahlleute, die je rund 194.000 Einwohner repräsentieren - die 54 kalifornischen Wahlleute repräsentieren hingegen jeweils rund 720.000 Einwohner.
"Winner takes all"-Prinzip
Im US-Wahlsystem gibt es dabei eine weitere Besonderheit: In den meisten Bundesstaaten bekommt der Präsidentschaftskandidat oder die Präsidentschaftskandidatin, der oder die sich die Mehrheit sichern kann, die Stimmen aller Wahlleute. Wählerstimmen für den unterlegenen Kandidaten verfallen also.
Falls also der Republikaner Trump in Florida mit nur 50,1 Prozent der Stimmen gewinnen sollte, bekäme er die Stimmen aller 30 Wahlleute des Bundesstaats. Die Gegenkandidatin Kamala Harris ginge in diesem Fall im so genannten Sunshine State komplett leer aus. Amerikaner sprechen daher vom Prinzip "Winner takes all", übersetzt "alles für den Gewinner".
So kann es unterm Strich also passieren, dass ein Präsident mit einer Mehrheit im "Electoral College" gewählt wird, ohne insgesamt die meisten Wählerstimmen auf sich vereint zu haben.
Gründungsväter etablierten das System
Als 1787 die Verfassung der USA geschrieben wurde, trauten die Gründungsväter den Bürgern nicht zu, den Präsidenten selbst zu wählen. Wahlberechtigt war vorerst nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, nämlich protestantische weiße Männer mit Grundbesitz. Parteien und Vorwahlen gab es auch nicht. Stattdessen wurde das "Electoral College" etabliert. Versuche, dieses System abzuschaffen und den Präsidenten direkt zu wählen, sind bisher gescheitert.
Um die US-Verfassung zu ändern und damit das "Electoral College" abzuschaffen, braucht der US-Kongress eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Es ist derzeit aber unwahrscheinlich, dass Republikaner und Demokraten eine solche Mehrheit erreichen, weil der Kongress tief gespalten ist. Außerdem profitiert die republikanische Partei traditionell vom Wahlleutesystem. Sie hätte deshalb ohnehin wenig Anreize, es aufzugeben.
Welche Reformvorschläge gibt es?
In den vergangenen zwei Jahrhunderten sind mehr als 700 Vorschläge im US-Kongress eingebracht worden, um das Wahlsystem zu reformieren. Ziel vieler Vorschläge war, dass US-Bundesstaaten mit wenigen Einwohnern nicht mehr überproportional großes Gewicht in Washington haben sollten.
Allerdings gibt es einen Versuch einiger Bundesstaaten, das System auch ohne Kongressmehrheit fairer zu gestalten. Der "National Popular Vote Interstate Compact" ist ein Pakt, der Bundesstaaten dazu verpflichten würde, unabhängig von lokalen Ergebnissen ihre Wahlleutestimmen jenem Präsidentschaftskandidaten zu geben, der landesweit die meisten Stimmen erhält.
Bisher haben 17 Bundesstaaten diesen Pakt unterzeichnet. Damit er aber tatsächlich in Kraft tritt, braucht es eine Mehrheit. Dabei wird einmal mehr in Wahlleutestimmen gezählt. Es sind also weitere Bundesstaaten notwendig, die dem Bündnis beitreten müssten.