Von der Leyens Rede "Die Welt will mehr Europa"
Ein starkes Europa, ein Europa, das sich einmischt: In ihrer Rede hat von der Leyen leidenschaftlich für ihren Platz an der Spitze der EU-Kommission geworben. Malte Pieper hat ihren Auftritt in Straßburg beobachtet.
Am Ende gab es stehenden Applaus. Nur Sekunden nachdem Ursula von der Leyen ihre letzten Worte gesprochen hatte, erhoben sich große Teile der Abgeordneten von ihren Stühlen. Vor allem Christdemokraten, aber auch Grüne, Liberale und Sozialdemokraten.
Ein Europa des Friedens, ein geeintes Europa, ein Europa der Werte - diese Überzeugungen hätten sie ihr ganzes Leben geleitet, erklärte von der Leyen. "Als Mutter, als Ärztin, als Politikerin."
Über eine halbe Stunde lang hatte die bisherige Verteidigungsministerin einen wahren Parforceritt durch die Probleme unserer Zeit hingelegt. Zu den Hauptaufgaben, vor denen Europa derzeit steht, zählte sie den demografischen Wandel, Digitalisierung und den Klimawandel.
Anspruchsvolle Vorgaben an Mitgliedsstaaten
Das Thema Klimawandel will sie ganz besonders anpacken. Geht es nach von der Leyen, dann soll Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt sein. Hier will sie den Mitgliedsstaaten anspruchsvolle Vorgaben machen. Ohne gehe es einfach nicht, betonte die Kandidatin.
Um das hinzubekommen setzt von der Leyen aber nicht auf eine CO2-Steuer, sondern auf eine Ausweitung des Emissionshandels auf Verkehr und Gebäude. Wer also mehr CO2 ausstößt, als er im Schnitt darf, müsse sich dafür Rechte kaufen.
Doch der Klimawandel war nur eine wichtige Säule ihrer Rede. Die zweite: ein sozialeres Europa. Es müsse einfach klar sein, die Wirtschaft, die Firmen, sie seien für die Menschen da und nicht umgekehrt.
Zur Hälfte Frauen
Mit den lautesten Applaus bekam sie dann an einer Stelle, mit der die männliche Mehrheit des Hauses wohl nicht gerechnet hat. Von der Leyen stellte klar, dass ihre Kommission zur Hälfte aus Frauen zu bestehen habe.
Und wenn die Regierungen der Mitgliedsstaaten nicht genug Kandidatinnen vorschlügen, dann werde sie dafür sorgen, dass es passiert. "Wir Frauen sind schließlich die Hälfte der Bevölkerung", rief von der Leyen, "deshalb wollen wir auch unseren Anteil."
"Es lebe Europa"
In der Außenpolitik wiederum setzte von der Leyen auf ein starkes Europa. Auf ein Europa, das sich einmischt. Die Welt verlange das, sie wolle mehr statt weniger Europa. Und deshalb müssten die Außenminister künftig auch mit Mehrheit über den Kurs entscheiden können: "Die Welt will mehr Europa."
Es war interessant zu beobachten, wie sich die Mienen im Laufe ihrer Rede veränderten. Signalisierten anfangs nur die Christdemokraten Wohlwollen, hellten sich nach und nach auch die Gesichter bei Liberalen und Sozialdemokraten, selbst bei einigen Grünen auf.
Beobachter werten das als Zeichen, dass von der Leyen heute Abend mit einer pro-europäischen Mehrheit rechnen kann. Denn wie hatte sie zum Schluss ihrer Rede gerufen? "Es lebe Europa."