Ministeriumssprecher Rund 5.200 Tote nach Unwettern in Libyen
In Libyen wird das Ausmaß der Unwetterkatastrophe immer deutlicher: Laut einem Ministeriumssprecher kamen 5.200 Menschen durch die Überschwemmungen ums Leben. Das Rote Kreuz spricht von 10.000 Vermissten.
Nach den Überschwemmungen in Libyen gehen die Behörden von Tausenden Todesopfern aus. Ein Sprecher des Innenministeriums einer der beiden Regierungen sagte der Nachrichtenagentur dpa, es seien 5.200 Menschen ums Leben gekommen. Unabhängig ließen sich die Zahlen zunächst nicht bestätigen.
Die Nachrichtenagentur AFP hatte zuvor von 2.300 Toten und rund 7.000 Verletzten allein in der schwer betroffenen Hafenstadt Darna berichtet. Mehr als 5.000 Menschen würden noch vermisst, erklärten die libyschen Not- und Rettungsdienste demnach. In der Hafenstadt wurden bereits Hunderte Menschen beerdigt. Dort waren in der Nacht zum Montag zwei Staudämme gebrochen. Gut ein Viertel der Stadt soll dadurch ins Meer gespült worden sein, sagte der Ministeriumssprecher.
Viele Vermisste und eingestürzte Gebäude
Der Sturm "Daniel", der schon in Griechenland schwere Zerstörungen hinterlassen hatte, erfasste das nordafrikanische Land am Sonntag. Laut dem ARD-Meteorologen Karsten Schwanke fielen etwa an der Wetterstation Al Baida im Norden des Landes am Sonntag 414 Liter Regen pro Quadratmeter. Das sei dreimal so viel gewesen wie bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021.
Durch die Überflutungen wurden zahlreiche Gebiete von der Außenwelt abgeschnitten. Bilder aus den betroffenen Gebieten zeigten gewaltige Schlammlawinen, eingestürzte Gebäude und ganze Stadtteile, die unter schlammigem Wasser standen. Während Rettungskräfte und Angehörige nach Überlebenden suchen, gelten nach Angaben des Roten Kreuzes rund 10.000 Menschen als vermisst.
Schwierige Rettungsbemühungen in Darna
Videos und Fotos in sozialen Medien zeigten ein katastrophales Ausmaß der Zerstörung in Darna. Laut Augenzeugenberichten ließen die starken Winde Strommasten umstürzen. Mitten in der Nacht brach dann mit einem lauten Knall ein Staudamm unweit der Küstenstadt. Schließlich gab auch ein zweiter Damm den Wassermassen nach, die vom Tal Richtung Darna donnerten. Menschen, Häuser und Sehenswürdigkeiten sollen ins Meer gespült worden sein.
Osama Ali, ein Sprecher der örtlichen Notdienste, berichtete von den schwierigen Bemühungen der Retter. "Es gibt noch eine Straße, die in die Stadt führt. Aber die Durchfahrt ist schwierig und gefährlich, da ein Teil der Straße zerstört ist und ein weiterer Einsturz aufgrund der riesigen Wassermengen erwartet wird."
Neben Darna waren auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. Der Bürgermeister in Schahat sprach von rund 20.000 Quadratkilometern überfluteter Gebiete - eine Fläche etwa so groß wie Sachsen-Anhalt. Die betroffenen Regionen wurden zu "Katastrophengebieten" erklärt.
Dreitägige Staatstrauer ausgerufen
Die von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung in der Hauptstadt Tripolis sprach von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren. Sie rief am Montag eine dreitägige Staatstrauer aus und beschwor die "Einigkeit aller Libyer" angesichts der Katastrophe. Aus Tripolis machten sich Hilfskonvois auf dem Weg nach Osten.
Die benötigte Hilfe übersteige in hohem Maße die Kapazitäten des Roten Kreuzes und der Regierung in Libyen, betonte der Vertreter des Internationalen Komitees von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond, Tamer Ramadan. Deswegen habe die Regierung um internationale Hilfe gebeten. Der Zugang zur östlichen Region des Landes ist begrenzt, die Telefon- und Internetverbindungen waren zunächst weitgehend unterbrochen.
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich angesichts der schweren Überschwemmungen bestürzt. "Unsere Gedanken sind bei allen Betroffenen und ihren Familien", schrieb er auf X, ehemals Twitter. Bundesinnenministerin Nancy Faeser stellte Unterstützung durch das Technische Hilfswerk (THW) in Aussicht. "Wir wollen nach dieser schrecklichen Naturkatastrophe schnell helfen", so die Ministerin.
Zwei verfeindete Regierungen im Machtkampf
Derzeit kämpfen in Libyen zwei verfeindete Regierungen - eine mit Sitz im Osten, die andere mit Sitz im Westen - um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den bis heute andauernden Bürgerkrieg friedlich beizulegen, scheiterten bislang. Die staatliche Ordnung in dem Land ist weitgehend zerfallen und zahlreiche Konfliktparteien ringen um Einfluss, nachdem Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 gewaltsam gestürzt worden war.