Kunden gehen durch ein Lager eines Einrichtungshauses.

Drittes Quartal Deutsche Wirtschaft überraschend gewachsen

Stand: 30.10.2024 11:35 Uhr

Entgegen der Erwartungen ist die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal gewachsen. Einer der Gründe: Private Konsumenten waren nicht mehr ganz so zurückhaltend mit Ausgaben. Eine Trendwende sehen Experten aber noch nicht.

Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal überraschend gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Juli bis September um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zu, wie das Statistische Bundesamt zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hingegen mit einem Rückgang von 0,1 Prozent gerechnet.

Auch im ersten Quartal des Jahres war Europas größte Volkswirtschaft etwas gewachsen, im folgenden war die Wirtschaftsleistung dann leicht geschrumpft. Das Minus fiel im zweiten Quartal mit 0,3 (bisher: 0,1) Prozent sogar stärker aus als zunächst angenommen, hieß es heute vom Statistischen Bundesamt. Zwei Minus-Quartale in Folge hätten eine technische Rezession bedeutet. Das hatten viele Volkswirte erwartet - es trat nun aber nicht ein.

Nur ein Ausreißer nach oben?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht das unerwartete Wachstum als Hoffnungszeichen. "Das ist bei Weitem noch nicht das, was wir brauchen, aber immerhin ein Lichtblick", teilte der Grünen-Politiker mit. "Die Wirtschaft zeigt sich robuster als bislang prognostiziert, die von vielen erwartete technische Rezession bleibt aus." Gleichzeitig zeige sich deutlich, dass "wir weitere Maßnahmen brauchen, das ist bei allen angekommen", so Habeck. "Investitionsanreize, Innovationsförderung und Entbürokratisierung - wir sollten hier gemeinsam agieren und den Standort Deutschland stärken."

Im dritten Quartal nahmen "vor allem die staatlichen und die privaten Konsumausgaben zu", erklärten die Statistiker. "Unter der Last vieler Strukturschwächen sendet die Wirtschaft ein Lebenszeichen. Danke an die Konsumenten, die etwas aus der Deckung gekommen sind", kommentierte daher Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe. An eine klassische Konjunkturerholung sei allerdings weiterhin nicht zu denken.

"Das Plus im dritten Quartal dürfte ein Ausreißer nach oben sein", sagte auch Jörg Krämer von der Commerzbank. Die seit dem Frühjahr fallenden Frühindikatoren deuten laut dem Experten unverändert auf ein schwieriges Winterhalbjahr hin. Danach dürfte es wegen der Hiobsbotschaften aus der wichtigen Autoindustrie und der jahrelangen Erosion der Standortqualität nur zögerlich nach oben gehen. "Für 2025 rechne ich mit einem mageren Plus von 0,2 Prozent", so Krämer.

Bundesbank geht von Stagnation aus

Die Unsicherheit über die Krise der deutschen Wirtschaft hat sich längst bei Unternehmen und Konsumenten breitgemacht. Schlüsselbranchen wie die deutsche Autoindustrie stehen unter großem Druck. So musste etwa Volkswagen einen drastischen Gewinneinbruch hinnehmen.

Doch schon in der vergangenen Woche hatte es einen kleinen Hoffnungsschimmer für die Konjunktur gegeben: Der ifo-Geschäftsklimaindex - der wichtigste Frühindikator für die hiesige Wirtschaft - war im Oktober nach zuvor vier Rückgängen in Folge erstmals wieder gestiegen. "Die deutsche Wirtschaft konnte den Sinkflug vorerst stoppen", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. Eine Trendwende zum Besseren sieht Umfragechef Klaus Wohlrabe aber noch nicht. "Dazu ist es noch zu früh", betonte er.

Die Bundesbank geht ebenfalls nicht davon aus, dass sich Europas größte Volkswirtschaft am Jahresende aus der hartnäckigen Konjunkturflaute befreien kann. "Im vierten Quartal könnte die wirtschaftliche Aktivität aus heutiger Sicht in etwa stagnieren", heißt es im aktuellen Monatsbericht: "Auch wenn für die deutsche Wirtschaft derzeit weiterhin keine Rezession im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung zu erwarten ist, steckt sie doch nach wie vor in der seit Mitte 2022 anhaltenden Schwächephase fest."

Viele Probleme für die Wirtschaft

Auch die Bundesregierung ist bislang eher pessimistisch: Sie erwartet in ihrem Herbstgutachten, dass das BIP im Gesamtjahr um 0,2 Prozent schrumpfen wird. Es wäre das zweite Jahr mit einer Rezession in Folge nach 2023, als die deutsche Wirtschaftsleistung leicht gesunken war. Erst 2025 soll die Wirtschaft nach Prognose der Bundesregierung wieder um 1,1 Prozent wachsen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) traut Deutschland dieses Jahr nur noch eine Stagnation zu. Für 2025 ist er weniger zuversichtlich als die Ampel-Koalition und rechnet nur mit einem Plus von 0,8 Prozent.

Gegenwind für die deutsche Wirtschaft gibt es reichlich: Auf den Weltmärkten hat China als Wachstumstreiber an Schwung verloren, im lnland steigt die Zahl der Firmenpleiten. Während es in der Industrie an Aufträgen mangelt und sich die Exportaussichten eintrüben, sparten viele Verbraucherinnen und Verbraucher zumindest im ersten Halbjahr noch mehr als ein Jahr zuvor. So kommt der Konsum, lange die größte Hoffnung für die Konjunktur, nicht recht in Schwung.

Impulse für die deutsche Wirtschaft erwarten Ökonomen von den sinkenden Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB). Doch bis diese in der Realwirtschaft ankommen, vergeht Zeit. Außerdem schwächen strukturelle Faktoren wie die gestiegenen Energiepreise und die Bürokratie den Standort Deutschland. Die Bundesregierung ringt um Lösungen für die Konjunktur, doch in der Ampel-Koalition fehlt es an Einigkeit.