Israel Mindestens 700 Israelis bei Hamas-Angriff getötet
Bei den Großangriffen der Hamas sind in Israel wohl mindestens 700 Menschen getötet worden. Die Gefechte auf israelischem Boden gehen weiter. Für die kommenden Tage wird mit einem massiven israelischen Einsatz im Gazastreifen gerechnet.
Nach den massiven Angriffen der Terrororganisation Hamas steigt die Zahl der Toten in Israel weiter. Israelische Medien berichten mittlerweile von mindestens 700 Toten und berufen sich dabei auf medizinische Kreise. Nach jüngsten Angaben des Gesundheitsministeriums wurden mindestens 2.243 Menschen verletzt. Die Zahl der Todesopfer sei "nicht endgültig", hieß es von der Regierung.
Viele Tote und Vermisste soll es nach einem Terrorangriff der Hamas auf ein Festival an der Grenze zum Gazastreifen geben. Davon berichten nach übereinstimmenden Medienberichten etliche Augenzeugen. Außerdem suchen in Sozialen Medien viele Menschen nach ihren Angehörigen, die das Festival besucht hatten.
Israel: Hamas hält mehr als hundert Menschen als Geiseln
Nach Angaben der israelischen Regierung hält die Hamas mehr als hundert Menschen als Geiseln fest. Das israelische Militär hatte zuvor berichtet, dass man zwei Geiselnahmen beendet habe. Die Kämpfe "zur Befreiung von Geiseln" dauerten an, sagte Armeesprecher Daniel Hagarivor. Nach Militärangaben gestalte sich die Befreiung der Soldaten und Zivilisten aber schwierig.
"Es gibt keine militärische Möglichkeit, in den Gazastreifen hineinzugehen und die Menschen herauszuholen", sagte der ehemalige Sprecher der israelischen Armee, Avi Benayyahu, im israelischen Fernsehen. "Selbst wenn man den Gazastreifen erobern würde, ist es nicht sicher, dass die Geiseln dann überhaupt noch am Leben sind", so der Brigadegeneral.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich unter den Verschleppten auch deutsche Staatsangehörige befinden.
Lage ist noch nicht unter Kontrolle
Derweil hat das israelische Sicherheitskabinett den Kriegszustand ausgerufen. Dies erlaube "weitreichende militärische Schritte", teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit. Für die kommenden Tage wird mit einem massiven israelischen Einsatz im Gazastreifen gerechnet - möglicherweise auch mit Bodentruppen.
Nach Angaben des israelischen Militärs befinden sich weiterhin palästinensische Angreifer auf israelischem Gebiet. "Es gibt immer noch feindliche Kräfte in Israel", sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Sonntagabend - rund 36 Stunden nach Beginn der Attacke aus dem Gazastreifen. Ein Teil der Eindringlinge sei getötet worden, ein Teil sei jedoch noch vor Ort, sagte Hagari weiter.
Über den Tag dauerten die Kämpfe im Grenzgebiet an. In mehreren Städten mussten sich Menschen erneut vor Raketenangriffen aus dem Gazastreifen in Sicherheit bringen. Das Militär wies Bewohner von zwei Ortschaften im Grenzgebiet am Abend an, ihre Häuser "aufgrund der Sicherheitslage" nicht zu verlassen. "Wir befinden uns derzeit mitten in einem Krieg", sagte Hagari. Die israelische Luftwaffe sei in vollem Einsatz, um Ziele im Gazastreifen anzugreifen. Mehr als 50 Kampfflugzeuge hätten demnach in den vergangenen Stunden rund 120 Ziele der Hamas zerstört.
Die Armee evakuierte die israelischen Ortschaften an der Grenze zum Gazastreifen. Tausende Menschen sollten an andere Orte in Israel gebracht werden. Auch im Norden Israels, nahe der Grenze zum Libanon, wurden die Bewohner aufgerufen, das Gebiet zu verlassen.
Hisbollah beschießt Israel aus dem Libanon
Am Morgen töteten israelische Soldaten nach Angaben des israelischen Rundfunks fünf militante Palästinenser, die über den Strand nach Israel eindringen wollten. Ein Armeesprecher bestätigte allerdings lediglich, dass die Männer aufgehalten worden seien.
Zudem meldete Israel Beschuss aus dem benachbarten Libanon. Die Hisbollah-Miliz erklärte, sie habe das von Israel besetzte Gebiet der Scheeba-Farmen an der Grenze zum Libanon mit Raketen und Artillerie angegriffen. Die israelische Armee nahm nach eigenen Angaben das Gebiet, aus dem geschossen worden sei, als Reaktion unter Beschuss. Die UN-Beobachtertruppe im Libanon rief Israel und die Hisbollah zur Zurückhaltung auf.
Der Sprecher der Hamas, Ghazi Hamad, sagte dem Sender BBC, die Gruppe habe direkte Unterstützung für den Angriff vom Iran erhalten.
Die Schebaa-Farmen gehören nach Auffassung der UN zu den 1967 von Israel besetzten syrischen Gebieten. Syrien und einigen Parteien im Libanon sehen das Gebiet jedoch als libanesisches Territorium an. Die Hisbollah hatte der Hamas zuvor zu ihrem "heldenhaften, groß angelegten" und "siegreichen" Einsatz gegen Israel gratuliert.
Netanyahu kündigt Vergeltung an - viele Tote im Gazastreifen
Bei israelischen Gegenangriffen wurden aufseiten der Palästinenser im Gazastreifen bislang mindestens 413 Menschen getötet und 2.300 verletzt, wie das dortige Gesundheitsministerium bekannt gab. Israel griff nach eigenen Angaben bis jetzt 426 Ziele im Gazastreifen an.
Als Reaktion auf die palästinensischen Angriffe beschloss Israel, unter anderem die Einfuhr von Strom-, Brennstoff- und Warenlieferungen in den Gazastreifen abzuschneiden. Ziel sei es, die militärischen und administrativen Möglichkeiten der Hamas und des Islamischen Dschihad so zu zerstören, "dass sie für viele Jahre nicht mehr in der Lage und bereit sind, die Bürger Israels zu bedrohen und anzugreifen", gab das Büro von Regierungschef Netanyahu nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts bekannt.
"Wir beginnen einen langen und schwierigen Krieg, der uns durch einen mörderischen Angriff der Hamas aufgezwungen wurde", wurde Netanyahu zitiert. Die erste Phase ende jetzt mit der "Vernichtung des größten Teils der feindlichen Kräfte, die in unser Gebiet eingedrungen sind", hieß es nach der Sitzung des Sicherheitsrats.
Die Hamas hatte Israel am Samstag mit einer beispiellosen Kombination von Großangriffen überrascht. Sie feuerte am jüdischen Feiertag Simchat Tora Tausende Raketen auf Israel ab, zugleich überwanden deren Kämpfer die schwer gesicherte Grenze zu Israel.
Mit Informationen von Bettina Meier, ARD-Studio Tel Aviv